NOTIERT IN LONDON

Mondo bizzarro

Der britische Milliardär Alan Sugar ist im Vergleich zu Donald Trump kaum in der Lage, seinen Gefühlswallungen glaubhaft Ausdruck zu verschaffen. Trotzdem nimmt der ehemalige Chairman des Fußballclubs Tottenham Hotspur im BBC-Abklatsch der...

Mondo bizzarro

Der britische Milliardär Alan Sugar ist im Vergleich zu Donald Trump kaum in der Lage, seinen Gefühlswallungen glaubhaft Ausdruck zu verschaffen. Trotzdem nimmt der ehemalige Chairman des Fußballclubs Tottenham Hotspur im BBC-Abklatsch der Erfolgsserie “The Apprentice” seit vielen Jahren dessen Rolle als Scharfrichter wahr. Wenn Lord Sugar vor der Kamera sagt, er sei jetzt aber wirklich sauer, mag man ihm kaum glauben. Dabei fällt es schwer, ruhig zu bleiben, wenn man den Sprüche klopfenden Kandidaten seiner Show dabei zusieht, wie sie bei der Lösung einfachster unternehmerischer Aufgaben versagen. Alle hoffen darauf, dass sich der für seine Verdienste um die britische PC-Industrie geadelte Sugar mit 250 000 Pfund an der Verwirklichung ihrer Geschäftsidee beteiligt und ihnen als Mentor zur Seite steht. Man hätte gerne mehr darüber erfahren, wozu die Jungen und Schönen den ehemaligen “Enterprise Champion” des Labour-Premierministers Gordon Brown benötigen. Aber beim Casting von “The Apprentice” gehen Sexyness und Political Correctness vor, schließlich läuft die Reality-TV-Show im Abendprogramm und nicht im Schulfunk. Ein neuer Steve Jobs ist nicht unter den Kandidaten. Oft wirkt die Serie unfreiwillig komisch. Da wird viel mit Rollkoffern und durchgedrücktem Rücken durch Canary Wharf marschiert und übersteigertes Selbstbewusstsein zur Schau getragen. Die Aufgaben sind nicht gerade aus dem Leben gegriffen, ob es sich nun um den Verkauf von Antiquitäten, eine Crowdfunding-Kampagne oder die nächtliche Beschaffung ungewöhnlicher Gegenstände wie Rambutans handelt.Ernst & Young verstieg sich vor einigen Jahren zu der Aussage, Shows wie “The Apprentice” hätten den Unternehmergeist in Großbritannien vorangebracht. Die “Sunday Times” nannte das Programm einmal “nicht nur eine Game Show, sondern eine Business School”. Dabei wirkt vieles so surreal, dass man sich fragt, ob es sich bei den künftigen Business Tycoons um Schauspieler handelt. Viele sind keine Macher, sondern irgendwelche Berater, Werber oder Verkäufer. Wer ein erfolgreiches Geschäft sein eigen nennt, wird sich kaum zwei Monate lang zurückziehen können, um unter ständiger Kameraüberwachung ein derart bizarres Assessment Center über sich ergehen zu lassen.Ihm tue Lord Sugar leid, weil frühere Kandidaten so schwach gewesen seien, sagt Mukai Noiri (36), der dem Sender zufolge eine Stelle als Senior Communications Officer aufgegeben hat, um sich ganz seiner Geschäftsidee widmen zu können. Mukai, der sich selbst als “gerissen und listig wie ein Fuchs, aber dennoch zum Liebhaben” beschreibt, wird ohne ihn klarkommen müssen, denn nach der vierten Runde ist für ihn bereits Schluss. Jede Woche muss einer der Aspiranten gehen.Die Aufgaben müssen in Teams bewältigt werden, die dafür Projektmanager ernennen. Wer sich bereiterklärt, so eine Position zu übernehmen, läuft eher Gefahr, gefeuert zu werden. Denn man sollte sich nicht darauf verlassen, dass die Kollegen im Team auch wirklich können, wofür sie ihrer Meinung nach qualifiziert sind, oder tun, was ihnen aufgetragen wird. Vermeintliche Starverkäufer, die nichts verkaufen können, angeblich Ortskundige, die nicht wissen, wo man was beschaffen kann, treffen auf Berater, die jedem erklären, wie man alles besser machen könnte, dabei aber selbst keinen Finger krumm machen. Aleksandra King (38), die nach eigenem Bekunden nur “Tsunamis, Vulkane und Ebola” fürchtet und ankündigt, eine phänomenale Menge Energie mitzubringen, schmeißt in der vierten Woche hin, weil ihr der Druck zu stark wird. All das ist in hohem Maße unterhaltsam, fördert aber nicht gerade das Verständnis dafür, wie Wirtschaft funktioniert. Versuchen die Kandidaten dann auch noch kreativ zu sein, weiß der Zuschauer nicht, ob er lachen oder weinen soll – etwa wenn sie “Salz und Essig” als Geschmacksrichtung für Fudge wählen, eine Süßigkeit, die anschließend keiner haben will. Abgestandene Slogans, merkwürdige Schaufensterdekorationen, seltsame Promo-Videos – ginge es um den Geschäftserfolg, hätte Sugar längst alle entlassen müssen. Aber die Quote der Sendung ist Spitze, und es stehen noch ein paar Folgen auf dem Programm.