Notenbank im Visier

Oberhaus fordert Reform der Bank of England

Der Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses hat eine umfassende Reform der Bank of England gefordert. Ein Vierteljahrhundert nach Entlassung der Notenbank in die Unabhängigkeit verlangen die Lords mehr Rechenschaftspflicht und parlamentarische Kontrolle.

Oberhaus fordert Reform der Bank of England

Oberhaus fordert Reform der Bank of England

Fokussierung auf Inflationsbekämpfung und Finanzstabilität verlangt – Lords beklagen mangelnde "intellektuelle Vielfalt"

hip London

Ein Vierteljahrhundert nachdem die Bank of England vom damaligen Schatzkanzler Gordon Brown in die Unabhängigkeit entlassen wurde, hat der Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses umfassende Reformen bei der Notenbank gefordert. „Vertrauen in die Bank ist von entscheidender Bedeutung, wenn sie ihre Unabhängigkeit erhalten will“, heißt es in einem Untersuchungsbericht des Gremiums. „Doch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bank of England ist dramatisch zurückgegangen, während die Inflation in den vergangenen zwei Jahren deutlich über dem Zielwert der Bank geblieben ist.“

Zuständigkeiten stark ausgeweitet

Die Lords fordern das Schatzamt in dem Bericht auf, die stark ausgeweiteten Zuständigkeiten der Notenbank zurechtzustutzen, um sicherzustellen, dass sich die Bank auf ihre primären Ziele – die Bekämpfung der Inflation und den Erhalt der Finanzstabilität – konzentrieren kann. Dabei haben sie besonders den Katalog von Themen im Blick, die von den Notenbankern „berücksichtigt“ oder „beachtet“ werden sollen. Dazu gehört unter anderem der Klimawandel, dem unter der Führung von Mark Carney große Bedeutung beigemessen wurde.

Bekämpfung des Klimawandels ist Sache der Regierung

Die Ausweitung des Mandats der Notenbank könne zu Zielkonflikten führen, mahnen die Oberhausabgeordneten. Sie berge zudem das Risiko, in die breitere politische Agenda der Regierung hineingezogen zu werden. Der Labour-Politiker Ed Balls, der einst Gordon Brown beriet, sagte dem Ausschuss, die Bekämpfung des Klimawandels sei Sache der Regierung. „Zu erwarten, dass die Bank dabei die Führung übernimmt, ergibt für mich keinen Sinn“, wird Balls im Bericht zitiert.

Der Bank of England Act von 1998 sieht vor, dass der Schatzkanzler dem Notenbankchef schriftlich Empfehlungen zur Tätigkeit der Komitees der Notenbank gibt. In diesen Briefen wird ausgeführt, was von ihnen zu berücksichtigen oder zu beachten ist. Die Zahl der darin aufgegriffenen Themen habe über die Jahre zugenommen, heißt es in dem Bericht. Im vergangenen Jahr kam der Punkt „Klimawandel und Versorgungssicherheit“ dazu. Die Notenbank begrünte daraufhin ihr Kaufprogramm für Unternehmensanleihen. Sie nahm klimabezogene Risikokennziffern in ihre Methodologie für die Bewertung von Kreditrisken auf. Bereits 2021 stellte sie einen Stresstest vor, der die Widerstandsfähigkeit der großen britischen Banken und Versicherer gegen die in den kommenden 30 Jahren vermuteten Klimarisiken prüfen sollte.

„Signifikante Opportunitätskosten“

Der ehemalige Bundesbankvorstand Andreas Dombret sagte dem Ausschuss, die zusätzlichen Ziele machten es für eine Notenbank schwieriger, ihr Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. Paul Tucker, der bis 2013 als stellvertretender Gouverneur der Bank of England für den Bereich Finanzstabilität verantwortlich war, verwies auf „signifikante Opportunitätskosten“, wenn wichtige Notenbanker Reden über andere Dinge hielten. Der Volkswirt John Vickers, der nach der Finanzkrise die Independent Commission on Banking leitete, führte aus, dass dadurch „das Gefühl verwässert wird, dass sie sich auf die Kontrolle der Inflation fokussieren“.

Begrenzte Rechenschaftspflicht

Die Ausweitung der Zuständigkeiten sei nicht von einer entsprechenden Zunahme der Rechenschaftspflicht begleitet gewesen, bemängeln die Oberhausabgeordneten. Sie fordern, dass das Parlament alle fünf Jahre eine umfassende Prüfung von Mandat und Arbeitsweise der Bank of England vornehmen soll. „Wir sind zwar sehr stark der Meinung, dass die Unabhängigkeit erhalten werden soll, doch Reformen sind nötig, um die Performance der Bank zu verbessern und ihre Rechenschaftspflicht dem Parlament gegenüber zu stärken“, sagte der Ausschussvorsitzende George Bridges.

Die Notenbank solle aus ihren geldpolitischen Fehlern lernen, empfahl Bridges. 2021 habe sie fälschlicherweise angenommen, die hohe Inflation sei vorübergehender Natur. Zu den Gründen dafür gehöre „ein wahrgenommener Mangel an intellektueller Vielfalt“ in der Bank of England und anderen Zentralbanken, heißt es im Untersuchungsbericht. Das führe dazu, dass Modelle und Prognosen nicht hinreichend in Frage gestellt würden.

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