NOTIERT IN WASHINGTON

"Potomacs" und "Bay Bucks" vertreiben den Dollar

Die schwache Wirtschaft, unsichere Verbraucher und wachsender Zorn über die knausrige Kreditvergabe der Banken treiben in den USA skurrile Blüten. Immer mehr Gemeinden gehen dazu über, ihre eigenen Währungen einzuführen. In mindestens 32 Ortschaften...

"Potomacs" und "Bay Bucks" vertreiben den Dollar

Die schwache Wirtschaft, unsichere Verbraucher und wachsender Zorn über die knausrige Kreditvergabe der Banken treiben in den USA skurrile Blüten. Immer mehr Gemeinden gehen dazu über, ihre eigenen Währungen einzuführen. In mindestens 32 Ortschaften und kleineren Städten haben Privatbürger der traditionsreichen US-Valuta den Rücken gekehrt und zahlen im Supermarkt, in der Kneipe und selbst bei Onlinetransaktionen nicht mit Dollars, sondern Währungen wie “Potomacs”, “Life Dollars”, “CHEs”, “Bay Bucks” oder “Downtown Dollars”. Trotz des unterschiedlichen Erscheinungsbilds – einige erinnern an Scheine aus einem Brettspiel, während bei anderen der Kopf eines US-Präsidenten den Geldschein ziert – haben sämtliche Formen des sogenannten “funny money” eines gemeinsam: Ziel ist, sich in einer unsicheren Konjunktur von der Übermacht der Banken zu befreien.Zu den ersten Kunstwährungen zählt der “CHE”, die Abkürzung für Cascadia Hour Exchange, das in Portland, Oregon, beheimatet ist. Gegründet wurde die Genossenschaft 1993 von John Poling, dessen Verbrauchervereinigung sich wachsender Beliebtheit erfreut. “Viele langjährige Mitglieder sind wieder aktiv geworden, auch verzeichnen wir Neuzugänge wie nie zuvor”, stellt Poling fest und hat eine simple Erklärung parat: “Der Dollar verliert an Kaufkraft, auch haben viele Menschen Angst, dass es mit unserer Wirtschaft weiter bergab geht. Sie brauchen eine Alternative, falls das Schreckensszenario eintritt und eines Tages die Banken alle dichtmachen.”Das Grundmodell ist fast überall dasselbe: Mitglieder können zu einem festgesetzten Wechselkurs die künstliche Währung kaufen und bei örtlichen Gewerbebetrieben oder Onlinefirmen, die das hausgemachte Geld annehmen, Produkte und Dienstleistungen erwerben. Während ein “CHE” 10 Dollar wert ist, herrscht beim Kauf eines “Potomac”, künstliches Geld aus dem Washingtoner Vorort Potomac, Maryland, Parität gegenüber dem Greenback. Will ein Kunde oder ein Einzelhandelsbetrieb aber seine Potomacs wieder in Dollar wechseln, dann bekommt er nur 95 Cent. “Wir wollen mit dem Wertverlust bewirken, dass die Potomacs nicht umgetauscht werden, sondern in Umlauf bleiben und als Zahlungsmittel im Verhältnis zur gesetzlichen Währung weiter an Bedeutung gewinnen”, erklärt Potomac-Gründer Larry Chang. “Der Potomac verschafft uns ein gewisses Maß an Autonomie, an wirtschaftlicher Unabhängigkeit von der Notenbank und den Privatbanken, die trotz des Nullzinses weiterhin die Taschen zuhalten.”Nach einem etwas anderen Konzept entstanden in der 12 000 Einwohner zählenden Kleinstadt Ardmore, Pennsylvania, Downtown Dollars. “Die miese Wirtschaftslage verdarb unseren Bürgern die Freude am Shopping”, erklärt John Durso, Direktor der gemeinnützigen Organisation Ardmore Initiative. Nach dem Vorbild anderer Kunstwährungen führte der Verein Downtown Dollars ein, die sowohl für Kunden als auch Gewerbetreibende reizvoll waren. Für jeden US-Dollar bekamen Bürger von Ardmore nämlich 2 Downtown Dollar, die von den Läden eins zu eins wie gesetzliche Zahlungsmittel akzeptiert werden. Somit konnten Verbraucher nur 50 Dollar ausgeben, aber für 100 Dollar einkaufen. Die teilnehmenden Händler konnten dann die Downtown Dollars entweder selbst verwenden oder bei der Ardmore Initiative wieder in doppelt so viele US-Dollars umtauschen. Subventioniert wurde der Handel mit der künstlichen Währung durch den gemeinnützigen Verein sowie lokale Banken.Zwar sind die zahlreichen künstlichen Währungen noch keine ernst zu nehmende Konkurrenz für den Greenback. Dennoch verfolgen die Behörden die Entwicklung mit Skepsis und Misstrauen, denn Banknoten darf nur die Fed drucken. Die Währungserfinder haben sich aber geschickt eine Gesetzeslücke zunutze gemacht. Das Prägen von Münzen ist einzelnen Gemeinden ohnehin erlaubt, bei Scheinen gibt es eine Ausnahme: Auch diese dürfen gedruckt werden, sofern die Noten sich erkennbar von Dollars unterscheiden. Auch müssen sie in einem fixen Verhältnis zum Greenback umgetauscht werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Einkünfte ordnungsgemäß versteuert werden.