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Rudolf Mellinghoff 65

lz - "Kein Steuerpflichtiger ist gehalten, dass er seine Lebensumstände so ausrichtet, um möglichst viel Steuern zu zahlen", vielmehr dürfe er "bis an die Grenze des Missbrauchs gehen". Es stehe ihm frei, die Steuern zu minimieren. So deutlich...

Rudolf Mellinghoff 65

lz – “Kein Steuerpflichtiger ist gehalten, dass er seine Lebensumstände so ausrichtet, um möglichst viel Steuern zu zahlen”, vielmehr dürfe er “bis an die Grenze des Missbrauchs gehen”. Es stehe ihm frei, die Steuern zu minimieren. So deutlich positioniert hat sich vor einiger Zeit Rudolf Mellinghoff, seines Zeichens Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), des obersten deutschen Finanzgerichts. Denn wenn das Steuerrecht selbst schon Verschonungstatbestände und Steuerbefreiungen zur politischen Verhaltenslenkung anbiete, dürfe der Steuerpflichtige natürlich auch eigene Wege zur Steuervermeidung suchen. Kritisch sieht er in diesem Zusammenhang daher den in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Steuervermeidungstaktiken weit verbreiteten Generalverdacht der Steuerhinterziehung. Dabei gehörten zum “Geschäftsmodell Steueroase” immer zwei, wie er betont: die jeweiligen Regierungen und der Steuerpflichtige.Mit dieser Haltung hatte Mellinghoff deutlich gemacht, dass er die Tradition des Gerichts als Rechtsschutzorgan der Steuerzahler hochhält und eine klare Grenze zieht zwischen Rechtmäßigkeit und gesellschaftlich kritisierter Unbotmäßigkeit. Tendenziell fällt das Gericht ohnehin mehr Urteile zugunsten der Steuerzahler als zugunsten des Fiskus – zuletzt etwa mit der Entscheidung, dass die vom Fiskus in Zeiten der Nullzinsen geforderten Versäumniszinsen grundgesetzwidrig sind.Mellinghoff hat dabei auch stets die politischen und gesellschaftlichen Wechselwirkungen zwischen Fiskus und Steuerzahler im Blick, war er doch von 2001 bis 2011 als Richter beim Bundesverfassungsgericht im Zweiten Senat, wo er vor allem im Bereich des bürgerrechtlichen Engagements Entscheidungen fällte. In diesem Spektrum machte der von ihm geführte BFH-Senat nun jüngst von sich Reden, als dieser zu Jahresanfang dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac wegen tagespolitischen Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannte. Dies wurde vielfach auch als politisches Statement empfunden.Schon in den Jahren zuvor war Mellinghoff regelmäßig Grenzgänger zwischen Verfassungs- und Steuerrecht: 1987 Finanzrichter in Düsseldorf, dann wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht, Referatsleiter im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern, anschließend 1992 Finanzrichter sowie Richter am Landesverfassungsgericht und daraufhin 1997 Richter am Bundesfinanzhof in München. Von 2001 bis 2011 in Karlsruhe kamen im Zweiten Senat die Steuer- und Wirtschaftsfragen dann wohl etwas zu kurz, was ihm den Wechsel zurück nach München sicher schmackhaft gemacht haben dürfte.Mellinghoff gilt schließlich als Schüler des überaus geachteten Steuer- und Verfassungsjuristen Paul Kirchhof, der den Fiskus mit dem von ihm geführten Verfassungssenat enorm unter Druck gesetzt und zu Steuerkorrekturen gedrängt hatte. Gemeinsam haben sie einen großen Steuerkommentar herausgegeben. Die Forderung nach Steuervereinfachung ist das Anliegen von beiden. Beim Amtsantritt als Präsident des BFH bezeichnete Mellinghoff den Zustand des Steuerrechts diesbezüglich denn auch als “katastrophal”.An diesem Montag feiert Mellinghoff, der unter anderem auch Vorstandsmitglied im Institut Finanzen und Steuern sowie Vorsitzender des Beirats der steuerrechtswissenschaftlichen Vereinigung Heidelberg ist und in zahlreichen internationalen Steuerrechtsvereinigungen mitarbeitet, seinen 65. Geburtstag.