NOTIERT IN BERLIN

Schon wieder Wahlkampf

Die Machtfrage in der CDU bremst die politische Arbeit in Berlin, seit Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel nach der Hessen-Wahl ihren Rückzug von der CDU-Spitze in Aussicht gestellt hat. Mehr als ein Jahr nach dem Wählervotum im Bund...

Schon wieder Wahlkampf

Die Machtfrage in der CDU bremst die politische Arbeit in Berlin, seit Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel nach der Hessen-Wahl ihren Rückzug von der CDU-Spitze in Aussicht gestellt hat. Mehr als ein Jahr nach dem Wählervotum im Bund hatten die Bürger schon Hoffnung geschöpft, die Regierungsarbeit nehme nach quälend langen Koalitionsverhandlungen und erbittertem Streit zwischen den Regierungspartnern endlich an Fahrt auf. Sie sehen sich enttäuscht. Der Machtkampf in der CDU um den Parteivorsitz erschüttert die Balance des politischen Gefüges. Der Wettstreit um den CDU-Parteivorsitz unter drei aussichtsreichen Kandidaten – Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz – bindet Kräfte. Schon wieder ist Wahlkampf in Berlin. Dabei scheint es nicht mehr so sehr auf Inhalte anzukommen. Dramaturgie zählt.So lief die Woche: Kaum hatte Merkel am Montag ihren Entschluss verkündet, meldeten noch am selben Tag Kramp-Karrenbauer und Spahn ihre Kandidatur an. Kramp-Karrenbauer musste schnell reagieren, gilt sie doch als die Favoritin der Kanzlerin, auch wenn sich Merkel zu ihrer eigenen Nachfolge öffentlich nicht äußert. Abwarten wäre Kramp-Karrenbauer als Unentschlossenheit ausgelegt worden. Spahn gehört zur Truppe der Ungestümen. Seine schnelle Reaktion passt in sein Psychogramm. Die Kandidatur von Merz wurde am ersten Tag als Spekulation durchgesteckt, am zweiten Tag ließ er sie offiziell verkünden, und am Mittwoch trat er selbst vor die Presse – lang genug, um zu zeigen: “Ich bin wieder da” und kurz genug, um keine allzu konkreten Inhalte liefern zu müssen. Spahn positionierte sich am Donnerstag mit einem Gastbeitrag in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” mit einem Aufruf zum Aufbruch – ausgerechnet im selben Medium, in dem Merkel 1999 auf Distanz zu Helmut Kohl ging, bevor sie ihn als Parteivorsitzende ablöste. Welche Symbolik. Für die eifrigen Nutzer neuer Medien postete Spahn auf Instagram ein als Wahlspot aufgezogenes Video zu seiner Person.Kramp-Karrenbauer bleibt noch in der Deckung und tut gut daran. Sie kann den Machtkampf in Nordrhein-Westfalen abwarten. Sowohl der jüngere Spahn (38) als auch der ältere Merz (62) kommen dorther. Landeschef Armin Laschet will in den nächsten Tagen eine Abstimmung im Landesverband unter den Delegierten des Bundesparteitags herbeiführen, die rund ein Drittel der 1001 Entsandten stellen. Laschet hat die knifflige Aufgabe, einen der Kandidaten zum Rückzug zu bewegen. Spahn hat noch Chancen nach Merz, umgekehrt gilt das nicht. Zudem scheint es in anderen großen Landesverbänden Präferenzen für Merz zu geben. Dazu gehört Baden-Württemberg, wo Wolfgang Schäuble und Thomas Strobl Strippen ziehen. Am Ende entscheidet, wer der CDU am ehesten die Machtbasis sichern kann. Der neue Fraktionschef der Union, Ralph Brinkhaus – ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen -, hat es in andere Worte gekleidet: “Die Zeit der Alpha-Typen ist vorbei.”