Separatisten erobern Handelskammer
ths – Die Führung der traditionsreichen Handelskammer von Barcelona liegt erstmals in den Händen von Anhängern der Unabhängigkeit Kataloniens. Die Cambra de Comerç ist mit dem Arbeitgeberverband Foment del Treball die führende Institution der katalanischen Wirtschaft. Am Donnerstag gab die Kammer bekannt, dass mit dem Unternehmer Joan Canadell ein Hardliner des Separatismus zum neuen Präsidenten gewählt worden ist und somit Miquel Valls nach 17 Jahren im Amt ablöst. Die Cambra de Comerç hatte sich, wie die Mehrheit der katalanischen Unternehmer im Allgemeinen, bislang aus dem politischen Konflikt um die Abspaltung von Spanien herausgehalten. Doch auch in der Wirtschaft hat die Unabhängigkeit, die von knapp der Hälfte der katalanischen Gesellschaft unterstützt wird, Befürworter.Anfang des Monats war es ANC, einem separatistischen Interessenverein, gelungen, eine Liste gleichgesinnter Unternehmer und Freiberufler bei den Wahlen zum Kontrollgremium zum Sieg zu führen. Dabei half die gewohnt niedrige Wahlbeteiligung von 4,5 % der Mitglieder der Cambra de Comerç. Canadell und seine Mitstreiter wollen die Handelskammer nun als Instrument für das Ziel der Unabhängigkeit nutzen, da ihrer Meinung nach die katalanische Wirtschaft nur in einer eigenen Republik ihr Potenzial voll entfalten kann. Boykott-AufrufCanadell ist ein langjähriger Separatist. Wegen der Untersuchungshaft für mehrere Separatistenführer, denen vor dem Obersten Gerichtshof der Prozess gemacht wird, rief der 51-Jährige zum Boykott großer spanischer Konzerne, wie der Warenhausgruppe El Corte Inglés, auf. “Demokraten sollten nicht bei Repsol tanken”, sagte Canadell in einem Interview. Er führt die von ihm gründete Gruppe Petrolis Independents, die acht Tankstellen in Katalonien betreibt.Die Separatisten haben es vielen Firmen nicht verziehen, dass sie wegen der Unruhen um die Unabhängigkeitserklärung 2017 ihren Stammsitz in andere Teile Spaniens verlegten, darunter Ibex-Konzerne wie La Caixa, Banco Sabadell oder Gas Natural Fenosa (heute Naturgy).Der spanische Arbeitgeberverband CEOE forderte die neue Führung der Handelskammer Barcelona zu “institutioneller Loyalität” auf. Die Cambra de Comerç solle sich “den Aufgaben widmen, für die sie da ist, und nicht anderen Dingen”, sagte der Präsident der CEOE, Antonio Garamendi, am Donnerstag auf einer Veranstaltung. Er verstehe auch nicht, dass in der Kammer von Barcelona die Stimme eines Selbständigen genauso viel zähle wie die des Automobilbauers Seat, so Garamendi.An diesem Sonntag finden in Spanien neben den Europawahlen auch Kommunalwahlen statt. Die separatistischen Parteien, die bereits die Landesregierung Kataloniens stellen, rechnen sich berechtigte Chancen aus, das Rathaus von Barcelona von einer Linkskoalition um die aktuelle Bürgermeisterin Ada Colau zurückzuerobern.