Spanien kämpft ums Image
Der Sozialist Pedro Sánchez hat sich in vielerlei Hinsicht von seinem konservativen Vorgänger Mariano Rajoy absetzen wollen, als er diesen Anfang Juni durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt des Ministerpräsidenten verdrängte. Erstmals gab es ein Kabinett mit mehr Frauen als Männern, und einige Ministerien wurden umfunktioniert, wie das Ressort für Energiewende, neben anderen symbolträchtigen Gesten. Doch Sánchez übernahm von den Konservativen die Rollenverteilung der Wirtschaftsabteilung seiner Regierung. Wie zuvor Cristóbal Montoro ist María Jesús Montero als Finanzministerin für den Haushalt zuständig. Abgesehen von den ähnlich klingenden Namen, stammen Montoro und Montero beide aus Andalusien und haben ein starkes parteipolitisches Profil. Die Außendarstellung kommt dagegen dem Wirtschaftsministerium zu, das Spanien auch bei den Ministertreffen der EU vertritt. Früher war das die Aufgabe des parteilosen, welt- und sprachgewandten Luis de Guindos, der mittlerweile stellvertretender Präsident der Europäischen Zentralbank ist. Seit dem Machtwechsel übernimmt diese Rolle Nadia Calviño, die wie Guindos keine Politikerin ist, dafür aber als ehemalige Generaldirektorin der Haushaltsabteilung der Europäischen Kommission in Brüssel großes Prestige genießt.So wie de Guindos in den Jahren der Krise damit beschäftigt war, ausländische Investoren von den Reformbemühungen Madrids zu überzeugen, muss Calviño dieser Tage den expansiven Haushaltsplan der sozialistischen Minderheitsregierung im Ausland verkaufen. Denn die vorgesehenen höheren Ausgaben und neuen Steuern haben bei vielen Anlegern für Stirnrunzeln gesorgt. Calviño verbrachte den ganzen Montag auf diversen Veranstaltungen und Terminen in London, um einige Befürchtungen der Investoren zu entschärfen. So werde die spanische Regierung entgegen früheren Ankündigungen nicht die gesamten Arbeitsmarktreformen der Konservativen zurückdrehen, sondern nur einige “Anpassungen” vornehmen, versprach die Ministerin, wie spanische Medien berichteten.Einige Unternehmer in Spanien hoffen darauf, dass der Haushaltsplan im Parlament mangels nötiger Unterstützung gar nicht erst durchkommt. In diesem Sinne hat Sánchez unerwartet eine wichtige Hürde genommen. Die liberale Ciudadanos gab am Montag überraschend ihren Widerstand gegen eine Gesetzesänderung auf, die es der Regierung ermöglicht, das Veto der absoluten Mehrheit der Konservativen im Senat zu umschiffen. Der Schritt bedeute jedoch nicht, dass die viertgrößte Partei im Unterhaus den Finanzplänen der Sozialisten zustimmen werde, betonte der Vorsitzende von Ciudadanos, Albert Rivera, nun. Sánchez muss sich also weiterhin um die Stimmen der Abgeordneten der katalanischen Nationalisten bemühen, um seinen Haushalt umsetzen zu können. Vor dem Hintergrund der Unabhängigkeitsforderungen in Katalonien ist dabei maximales diplomatisches Geschick gefragt. *Einen diplomatischen Auftrag ganz anderer Art verfolgte jüngst die stellvertretende Ministerpräsidentin Carmen Calvo in Rom. Es geht um ein sensibles Thema, das in Spanien seit dem Regierungswechsel im Juni die Gemüter erregt, zumindest die der Politiker und der Medien: die geplante Exhumierung von Francisco Franco aus dem Tal der Gefallenen, der schaurig-monumentalen Grabstätte des Diktators im Norden Madrids.Calvo rang im Vatikan darum, dass der Heilige Stuhl die von Francos Familie gewünschte Verlegung der Gebeine in die Almudena-Kathedrale in Madrid verhindern solle. Der Tempel gegenüber dem Königspalast im Herzen der Hauptstadt würde sich nämlich in eine publikumswirksame und gut zu erreichende Pilgerstätte für Nostalgiker des früheren Regimes und Neofaschisten verwandeln. Die Familie Franco besitzt eine Gruft in der Krypta der Kathedrale, wo vor gut einem Jahr die einzige Tochter des “Generalísimo” beigesetzt worden war. Calvo meldete aus Rom zwar einen Erfolg ihrer Mission, aber der Vatikan erklärte kurz darauf in einer Mitteilung, dass man keinerlei Abmachung über die Ruhestätte Francos getroffen habe.