Spaniens Liberale enttäuschen den Ibex
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Diese aus dem Reich der Fußballfloskeln ausgeliehene Maxime trifft dieser Tage in Spanien besonders zu. Denn an die Kampagne für die vorgezogene Parlamentswahl vom 28. April reiht sich praktisch nahtlos die Mobilisierung für den Superwahltag am 26. Mai. Dann müssen die Bürger nicht nur die 54 spanischen Vertreter für das Europaparlament küren, sondern auch noch 12 der 17 regionalen Kammern sowie alle Gemeindeverwaltungen neu wählen. Ging es bei der national Wahl nur um 350 Mandate im Unterhaus und 208 im Senat, stehen Ende Mai mehrere tausend Posten im ganzen Land zur Besetzung an. Das Ergebnis der Parlamentswahl, die mit einem klaren, wenn auch unzureichenden Sieg der Sozialisten der PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez endete, hat einige Volksvertreter mit Blick auf ihre politische und berufliche Zukunft nervös gemacht. Besonders in der konservativen Volkspartei, Partido Popular (PP), ist nach dem schlechtesten Ergebnis der Geschichte, mit 16,7 % der Stimmen und nur noch 66 Abgeordneten, Panik ausgebrochen. Der Rechtsruck von Parteichef Pablo Casado hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Nun wenden sich viele Kandidaten von der eigenen Partei ab und hoffen, mit ihrer persönlichen Marke bei den Kommunalwahlen erfolgreich zu sein. So etwa in Badalona, einem großen Vorort von Barcelona, wo Xavier García Albiol in einem Spot mehrere Bürger den Slogan sagen lässt: “Ich wähle Albiol und nicht die PP.” Dabei gehörte der Konservative aus Katalonien, wo die PP am 28. April völlig unterging, bis vor kurzem selbst zur erweiterten Führungsspitze der Partei. Andernorts, wie im mondänen baskischen Badeort San Sebastián, verzichten die konservativen Anwärter auf das Amt des Bürgermeisters vorsichtshalber auf das Logo der PP auf ihren Wahlplakaten und Online-Spots.Der PP-Vorsitzende Casado scheint derweil eine Kurskorrektur eingeschlagen zu haben. Nach dem ungewöhnlich aggressiven Wahlkampf, in dem er den unmittelbaren Zerfall der Nation und ein Abrutschen in eine Rezession an die Wand gemalt hatte, gab er sich bei einer Audienz mit Sánchez im Sitz des Regierungschefs am Montag eher staatsmännisch und signalisierte Kooperationswillen bei wichtigen Reformen. Casado will seine Rolle als Oppositionschef untermauern, die ihm Albert Rivera von der aufstrebenden Ciudadanos streitig macht. Die Rechtsliberalen legten bei der Parlamentswahl zu und rückten der PP mit 15,9 % und 57 Abgeordneten bedrohlich auf die Pelle. Ciudadanos könnte mit der PSOE von Sánchez regieren, doch Rivera erteilte dieser Variante nach seiner Audienz beim Ministerpräsidenten am Dienstag erneut eine Absage. Sehr zum Frust der meisten Wirtschaftsvertreter.Der Unternehmerdachverband CEOE sprach sich ganz offen für eine “Mitte-links-Regierung” aus, um ein Bündnis der PSOE mit der Linkskoalition Unidas Podemos, den moderaten baskischen Nationalisten der PNV und kleiner Regionalparteien zu verhindern. Auch einzelne Unternehmer und die Analysten großer Banken aus dem In- und Ausland, wie Santander, sprachen sich unzweideutig für einen Pakt zwischen Sozialisten und Liberalen aus. Doch Rivera bleibt stur. Dabei musste Ciudadanos, die 2006 gegründet wurde, aber erst seit wenigen Jahren auf nationaler Ebene eine Rolle spielt, bislang mit dem Ruf kämpfen, ein Instrument der Großkonzerne zu sein. Besonders im linken Lager wird sie gerne als “Partei des Ibex 35” verspottet. Auslöser für dieses nicht fundamentierte Image sind unter anderem Aussagen des Vorsitzenden von Banco Sabadell, Josep Oliu, der einst angesichts des Aufstiegs der linken Podemos und der ausufernden Korruptionsskandale der PP die Gründung einer “rechten Podemos” gefordert hatte. Mit ihrer hartnäckigen Weigerung, Sánchez auch nur durch Stimmenthaltung im Parlament zum Ministerpräsidenten wiederzuwählen, widerlegt Ciudadanos derzeit die Anspielungen, die Partei der Wirtschaftseliten zu sein. Das gilt aber ausdrücklich nur für eine Zusammenarbeit mit Sánchez. Ihren Kandidaten in den Regionen und Gemeinden überlässt die Partei freie Hand, um nach den Wahlen am 26. Mai auch mit den Sozialisten Bündnisse einzugehen, denn Ciudadanos will offenbar nicht überall nur in der Opposition sein.