NOTIERT IN MADRID

Staatspakt gegen die Separatisten

Für die meisten Anleger und Analysten ist das Jahr an der spanischen Börse so gut wie gelaufen. Denn vor der Parlamentswahl am 20. Dezember werden die Unternehmen ihre Karten wohl verdeckt halten und größere Operationen aufs neue Jahr...

Staatspakt gegen die Separatisten

Für die meisten Anleger und Analysten ist das Jahr an der spanischen Börse so gut wie gelaufen. Denn vor der Parlamentswahl am 20. Dezember werden die Unternehmen ihre Karten wohl verdeckt halten und größere Operationen aufs neue Jahr hinausschieben. Lediglich die politische Lage selbst könnte Bewegungen am Markt auslösen. Denn das Rennen ist so offen wie noch nie und alles deutet auf eine Koalitionsregierung hin, ein Novum auf nationaler Ebene in Spanien.Die Brisanz wird erhöht durch das eine Thema, das den Vorwahlkampf derzeit beherrscht: die Nationalisten in Katalonien halten unbeirrt an ihrem Fahrplan fest, diesen Landesteil von Spanien zu lösen, notfalls auch mit einem Verstoß gegen die Verfassung. Schon nächste Woche wollen die Nationalisten im Regionalparlament in Katalonien einen entsprechenden Beschluss verabschieden lassen, der den Prozess einer einseitig formulierten Unabhängigkeit einleiten soll.Nachdem er seit Jahren dem Anstieg der Emanzipationsströmungen in Katalonien, dem industriellen Herz Spaniens, mehr oder weniger tatenlos zugesehen hatte, ergriff Ministerpräsident Mariano Rajoy nun die Initiative und bestellte die Spitzen der übrigen Parteien zu Einzelgesprächen in seinen Amtssitz ein. Der Regierungschef strebt eine Art Staatspakt gegen die Separatisten an, ohne bislang Details einer möglichen Lösung des Konflikts erwähnt zu haben. Die Sozialisten der PSOE und die aufstrebende, liberale Ciudadanos unterstützen die Regierung grundsätzlich, scheuen sich aber davor, vor der Parlamentswahl das Bild einer großen Dreierkoalition abzugeben. Andere wie Podemos und die kommunistische Linke IU wollen bei Rajoys Aktion nicht dabei sein. Sie verlangen eine politische und keine rein juristische Lösung für die Spannungen mit Barcelona.Keiner weiß so recht, wie der nächste Schritt aussieht. Im Lager der Nationalisten, dem heterogenen Wahlbündnis Junts pel Sí um den katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas und der antikapitalistischen CUP, gibt es offenbar immer noch keine Einigung über ein Regierungsbündnis. Alles ist derzeit dem Unabhängigkeitsprozess untergeordnet, auch die Wirtschaftspolitik. Innerhalb der eigentlich konservativen CDC von Mas regt sich erster Widerstand gegen den vermeintlichen Ausverkauf an die linke CUP.Rajoy kann dagegen eineinhalb Monate vor der Wahl, bei der er um seine Macht fürchten muss, den Staatsmann abgeben und damit gleich zwei der härtesten Kritikpunkte an seiner Amtszeit korrigieren, oder zumindest abschwächen. Ihm wurde vorgeworfen, mit seiner Passivität das Problem mit den wachsenden Emanzipationsströmungen vergrößert zu haben, da er zu keinem Zeitpunkt selbst bescheidenen Forderungen der Nationalisten entgegenkommen wollte. Nun versucht er, wenigstens PSOE und Ciudadanos, die beiden Hauptkonkurrenten am 20. Dezember, mit ins Boot zu holen. Der andere Vorwurf war die mangelnde Dialogbereitschaft während der Legislaturperiode, in der Rajoys konservative Volkspartei (PP) ihre absolute Mehrheit im Parlament ohne große Zugeständnisse an die Opposition ausgespielt hat. Mit den Treffen bei sich im Moncloa-Palast – heute kommen auch noch die Führer der Gewerkschaften und des Arbeitgeberverbandes – kann der Regierungschef diesem Eindruck entgegenwirken.Und auch für das finanziell arg belastete Katalonien zeigt die Regierung in Madrid ein Herz. Es soll in den nächsten Tagen 2,3 Mrd. Euro aus einem Sonderhilfsfonds für die Regionen erhalten. Nachdem Junts pel Sí und CUP bei der Wahl in Katalonien im September gemeinsam die absolute Mehrheit der Sitze holten, stehen die politischen Kräfteverhältnisse dort am 20. Dezember wieder auf dem Prüfstein. *Niemand zweifelt mehr daran, dass die PP ihre absolute Mehrheit verlieren wird. So versucht man, schnell noch Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Regierung hat jetzt rasch die Statuten der staatlichen Kreditanstalt ICO geändert und die Zahl der Aufsichtsräte um vier vermeintlich unabhängige Mitglieder erhöht. Bei den Auserwählten handelt es sich aber mindestens in drei Fällen um erfahrene Personen, die den Konservativen nahestehen.