IM BLICKFELD

Stillstand statt Neubeginn bei der UBS

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 22.12.2020 Keine zwei Monate nach seiner Inthronisierung, hat sich ein Schatten über den neuen UBS-Chef Ralph Hamers gesenkt. Ein Berufungsgericht in Den Haag beauftragte die niederländische...

Stillstand statt Neubeginn bei der UBS

Von Daniel Zulauf, Zürich Keine zwei Monate nach seiner Inthronisierung, hat sich ein Schatten über den neuen UBS-Chef Ralph Hamers gesenkt. Ein Berufungsgericht in Den Haag beauftragte die niederländische Staatsanwaltschaft vor zehn Tagen noch einmal zu überprüfen, ob Hamers in dem vor zwei Jahren mit einem spektakulären Vergleich beigelegten Geldwäschefall in der niederländischen Großbank ING tatsächlich keine persönliche Verantwortung nachzuweisen sei. Schatten der AffäreHamers war im kritischen Jahr 2013 ING-Chef geworden. Gemäß der ersten Untersuchung der Staatsanwaltschaft war es kriminellen Kunden der Bank in jener Zeit (2010 bis 2016) gelungen, Hunderte von Millionen Euro über eine Vielzahl von ING-Konti zu rezyklieren. Die Affäre kostete ING 775 Mill. Euro und den damaligen Finanzchef Koos Timmermans den Job. Ein persönliches Verschulden wurde aber keinem Mitglied des damaligen Managements nachgewiesen, auch Timmermans nicht. Hamers genießt selbstredend die Unschuldsvermutung. Diese bliebe auch dann bestehen, wenn die niederländischen Staatsanwälte in der neuen Untersuchung zu einem anderen Ergebnis gelangen sollten als beim ersten Mal. Doch keine Bank, zumal keine systemrelevante Institution wie die UBS, hat die Zeit, das Endergebnis eines vielleicht mehrjährigen Prozesses abzuwarten. Denn solange der Schatten dieser Affäre über Hamers hängt, kann dieser nicht befreit arbeiten. Frage des VertrauensVertrauen ist das wichtigste Kapital eines jeden Chefs. Schlägt er dem Verwaltungsrat wichtige Entscheidungen vor, setzt dies das unbedingte Vertrauen des Gremiums in die Urteils- und Umsetzungsfähigkeit des CEO voraus. Und es geht auch ums Tempo: Je größer das Vertrauen, desto schneller können Entscheidungen gefällt werden. Aus diesen Gründen hatte Hamers seinen 69 000 Mitarbeitenden im UBS-Konzern anlässlich der Stabsübergabe Anfang November selbst versichert: “Man kann mein Vertrauen nur verlieren”, denn am Anfang einer neuen Beziehung muss es in vollem Umfang vorhanden sein.Ob Hamers auch mit dem ihm jetzt anhaftenden Makel für den UBS-Verwaltungsrat noch wählbar wäre, ist zwar eine spekulative Frage. Für die Mitarbeitenden und für die Aktionäre der Bank ist sie trotzdem wichtig. Offiziell gilt bei der UBS die Sprachregelung, man habe “volles Vertrauen” in die Fähigkeit des CEO, die UBS zu führen. Doch man muss annehmen, dass die Vertrauensbekundung in den vergangenen Tagen etwas von ihrem anfänglichen Wert verloren hat.Das ist eine Vermutung, deren Plausibilität sich aber an einem einfachen Beispiel darstellen lässt: Der niederländische Aktionärsaktivist Pieter Lakeman, der die gerichtliche Revision des ersten ING-Vergleichs über seine Stiftung “Sobi” zur kritischen Erforschung von Unternehmensinformationen angestrengt hatte, wirft Hamers eine verantwortungslose Sparwut insbesondere im Bereich der Geldwäscheprävention vor. Dieser habe in seiner Zeit als ING-Chef nicht nur Warnungen – etwa von Seiten seines obersten Risiko-Chefs – in den Wind geschlagen, sondern auch nicht verhindert, dass interne Kritik an den Sparmaßnahmen der Bank “im Keim erstickt” worden sei.Lakeman und dessen Anwalt, Gabriel Meijers, beziehen sich nach eigenen Angaben auf Zeugen, welche die niederländische Steuer- und Zollfahndungsbehörde im Rahmen der ING-Untersuchung befragt haben soll.Wahrscheinlich sollte man diese Vorwürfe nicht ganz zum Nennwert nehmen, schließlich kommen sie von der klagenden Partei. Doch kann sie der UBS-Verwaltungsrat ignorieren? Die Frage ist rhetorisch gemeint. Natürlich wird das Gremium Lakemans Beobachtungen künftig immer Rechnung tragen müssen, wenn es über Anträge von Hamers zu beschließen hat. Die erhöhte Vorsicht liegt schon im persönlichen Interesse der Verwaltungsratsmitglieder. Schließlich ist deren potenzielles Haftungsrisiko bereits gestiegen, obschon für Hamers immer noch die Unschuldsvermutung gilt.Und so wie die ING ist auch die UBS zum Sparen gezwungen. Die Aktionäre warten seit Jahren auf eine bessere Aktienkursentwicklung. Die Verpflichtung Hamers` gründete nicht zuletzt auf der Idee, die Automatisierung und Digitalisierung der Bank stärker voranzutreiben. Ist Hamers immer noch der richtige Mann dafür? Lakeman sagt, er habe bei ING “mehr Wert auf Gewinn als auf Compliance” gelegt. Was, wenn sich auch bei UBS ein Geldwäsche-Unfall ereignet? Der Verwaltungsrat sähe sich zwangsläufig mit dem Vorwurf konfrontiert, das Risiko einer Anstellung von Hamers falsch eingeschätzt zu haben.Obschon anzunehmen ist, dass die UBS Hamers Werdegang vor Vertragsunterzeichnung gründlich durchleuchtet hat, und obwohl auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) der Wahl zustimmen musste, erscheint die Anstellung des Niederländers im Rückblick überhastet und zu wenig durchdacht. Vieles deutet darauf hin, dass weder der UBS-Verwaltungsrat noch die Finma mit einem Sieg Lakemans im Berufungsverfahren gegen den ING-Vergleich gerechnet hatten. Dabei hätte man mit Blick auf die verschiedenen spektakulären Erfolge in Lakemans 44-jähriger Laufbahn als Aktionärsaktivist vorsichtig bleiben müssen.Weshalb der UBS-Verwaltungsrat dem Rekursgericht dennoch vorgegriffen hat und nur zehn Monate vor der Urteilsverkündung den Vertrag mit Hamers unterzeichnete, bleibt das Geheimnis von UBS-Präsident Axel Weber. Unwahrscheinlich erscheint die Vorstellung, dass die Bank den Manager in Kenntnis von dessen aktueller Situation erneut verpflichten würde. CEO-Nachfolge unter DruckNaheliegend ist der Gedanke, dass Weber knapp zwei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit einen erhöhten Druck verspürte, seinen wichtigsten Job, die Regelung der Nachfolge des langjährigen CEO Sergio Ermotti, unter Dach und Fach zu bringen. Ermotti hatte lange Zeit keinerlei Anstalten gemacht, seinen Posten zu räumen. Es hieß sogar, er spekuliere darauf, 2022 direkt auf Webers Posten zu wechseln. Gegen die starke Hausmacht des CEO hatte der Bundesbankpräsident immer einen schweren Stand.