Thomas Mayer und Deutsche Bank gehen getrennte Wege
Von Stephan Lorz, FrankfurtDer frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hat den mental längst vollzogenen, beruflich aber noch nicht exekutierten Bruch mit dem Geldhaus nun auch offiziell besiegelt: Sein Beratervertrag mit der Deutschen Bank wird nicht verlängert und endet am 30. Juni 2014. Dem Vernehmen nach wird er zum Kölner Vermögensberater Flossbach von Storch wechseln, um dort einen ökonomischen Thinktank aufzubauen. Weder Flossbach von Storch noch Mayer selbst wollten sich dazu allerdings auf Nachfragen der Börsen-Zeitung äußern. Seine Tätigkeit beim Center for Financial Studies (CFS) als Senior Fellow sei vom Wechsel nicht berührt, teilte er mit. Zu seinen künftigen Aufgaben werde er sich erst äußern, “wenn es spruchreif ist”, sagte er. Von seinen Kollegen verabschiedete er sich via E-Mail und lud sie zu einem informellen Umtrunk ein, wobei er Wert auf die Betonung des Wortes “informell” legte (“Keine Reden und Geschenke”).Mayer (60) war von 2002 bis 2009 Chief European Economist und Co-Head of Global Economics der Deutschen Bank in London, bis er im Januar 2010 die Nachfolge des in den Ruhestand verabschiedeten Chefvolkswirt der Bank, Norbert Walter, angetreten hatte. Mit dem Übergang zum neuen Führungsduo der Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, wurde er entmachtet. Mayer werde seine Arbeit künftig zwischen wissenschaftlicher Forschung und Beratung des Managements der Deutschen Bank und ihrer Kunden aufteilen, hieß es in einer Pressemitteilung. Mayer selbst zeigte sich erfreut “über die Gelegenheit, unabhängige Forschungsprojekte durchführen und gleichzeitig weiterhin mit dem Senior Management der Deutschen Bank zusammenarbeiten zu können”.Zum Bruch ist es offenbar gekommen, weil einige wirtschaftspolitische Äußerungen Mayers und ökonomische Ausarbeitungen seiner Abteilung das Management verärgert haben sollen, zumal die Bank seit der Finanzkrise unter verschärfter öffentlicher Beobachtung steht. Vor allem seine Forderung nach der Einführung einer Parallelwährung in Griechenland, des “Geuro”, soll Missfallensäußerungen an der Bankenspitze ausgelöst haben, weil die recht pessimistische wirtschaftspolitische Analyse der eigenen Volkswirte das Bemühen des Geldhauses konterkartierte, die Politik in der Aufarbeitung der Krise möglichst gnädig zu stimmen.Wie es im Umfeld der Deutschen Bank heißt, sollen die publizistischen Aktivitäten Mayers aber auch noch nach seinem Ausscheiden als Chefvolkswirt für Verärgerung gesorgt haben, weil er als Berater weiter mit dem Geldhaus identifiziert wird. Die öffentliche Wahrnehmung Mayers wurde aber auch deshalb mittelbar verstärkt, weil sein Nachfolger als Chefvolkswirt, David Folkerts-Landau, die Außenwirkung der volkswirtschaftlichen Abteilung auf das Nötigste beschränkt hat. Die Expertise der Ökonomen wurde fast vollumfänglich für die geschäftlichen Verkaufsaktivitäten eingesetzt. Als Kolumnist, in Interviews und Aufsätzen kritisiert Mayer in zum Teil drastischen Worten den gegenwärtig überaus bankenfreundlichen geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) und hält die Euro-Krise für alles andere als ausgestanden. Schon bald könne sie in anderer Form heftiger zurückkommen als zuletzt, warnt er.Bereits Mayers Vorgänger bei der Deutschen Bank als Chefvolkswirt, der 2012 verstorbene Norbert Walter, hatte beklagt, dass der nach seinem Weggang forcierte Umbau der volkswirtschaftlichen Abteilung nur dazu diene, als Unterstützung für den Verkauf von Dienstleistungen und Wertpapieren zu fungieren.Beobachter am Bankenstandort Frankfurt warnen das Geldhaus allerdings vor einem weiteren Rückzug aus dem öffentlichen wissenschaftlichen Diskurs. Der vielbeschworene “Kulturwandel” könne nicht heißen, nun nicht mehr in die ökonomischen Debatten einzugreifen und keine Positionen jenseits der üblichen bankenpolitischen Lobbyarbeit mehr zu beziehen. Zumal die Konzentration der Analysen auf den “Sales Support” ja auch Zweifel an der Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Expertise aufkommen lasse, was das Misstrauen der Kunden bei der Beratung eher noch verstärke. Sie führen das Einigeln der Ökonomen bei der Deutschen Bank dabei auch auf die große Verunsicherung zurück, die sich inzwischen allgemein im Geldhaus breitgemacht habe.Wie es heißt, wollte die Deutsche Bank nach dem Rückzug Mayers als Chefvolkswirt auch deshalb nicht auf dessen Expertise verzichten, weil er in der Öffentlichkeit einen exzellenten Ruf genießt und über ein großes Netzwerk im Finanzsektor verfügt, das er sich im Laufe seiner Karriere erarbeitet hatte – von seiner Tätigkeit beim Internationalen Währungsfonds angefangen (1991 – 2002), über Funktionen bei Salomon Brothers (1990 und 1991) bis zu seiner Position als Europa-Chefvolkswirt bei Goldman Sachs (1991 – 2002) und seinen langjährigen Aktivitäten bei der Deutschen Bank in London. Offenbar ist die gegenseitige Entfremdung aber nun zu groß geworden.