Fokusgruppe startet

Tiefe Gräben bei der privaten Altersvorsorge

Mit einer „Fokusgruppe“ will die Ampel-Regierung eine Lösung für die private Altersvorsorge hierzulande und für die unattraktiven Riester-Verträge finden. Schon zum Start gibt es Spannungen.

Tiefe Gräben bei der privaten Altersvorsorge

Von Angela Wefers, Berlin

Mit einem präzisen Arbeitsprogramm nimmt die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ an diesem Dienstag ihre Arbeit auf. Fünf weitere sollen der konstituierenden Sitzung folgen. Bis zum Sommer soll die Gruppe einen Abschlussbericht vorlegen. Das Bundeskabinett hatte Ende November beschlossen, die Gruppe einzusetzen, und deren Auftrag klar umrissen. Sie soll die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds prüfen, der Bürgern ein kostengünstiges und effektives Vorsorgeprodukt anbieten kann. Zudem soll die Gruppe prüfen, ob private Produkte, die eine höhere Rendite als Riester-Verträge bieten, gesetzlich anerkannt werden. Beide Prüfaufträge sind im Koalitionsvertrag der Ampel verankert.

Nachdem unter der großen Koalition keine Reform der gefloppten Riester-Rente gelungen ist, nimmt die Ampel nun einen neuen Anlauf. Der Vorsitz liegt im Bundesfinanzministerium, beim parlamentarischen Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP). Das Bundessozialministerium ist mit Staatssekretär Rolf Schmachtenberg vertreten, das Bundeswirtschaftsministerium mit Staatssekretär Sven Giegold. Als weitere Vertreter aus den drei Ministerien sind nach Informationen der Börsen-Zeitung in der knapp 20-köpfigen Gruppe Wolf Heinrich Reuter, Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium, Thomas Kaulisch, Leiter der Abteilung Sozialversicherung/Alterssicherung im Sozialministerium, und Elga Bartsch, Abteilungsleiterin Wirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium, mit dabei.

Hochkarätige Besetzung

Für die Finanzbranche steht bei der Entscheidung über den künftigen Weg der privaten Altersvorsorge viel auf dem Spiel. Dies lässt sich daran ablesen, dass mit den Hauptgeschäftsführern Jörg Asmussen (Versicherungsverband GDV) und Thomas Richter (Fondsverband BVI) die Spitzen der Verbandsgeschäftsführung selbst teilnehmen. Die Verbrauchervertretungen setzen auf ihre Fachexpertise in der zweite Ebene: die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist mit Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt, präsent und die Stiftung Warentest mit ihrem Abteilungsleiter Finanzdienstleistungen, Stephan Kühnlenz. Ähnlich ist es bei den Sozialpartnern. Für den Gewerkschaftsbund DGB kommt Markus Hofmann, Abteilungsleiter Sozialpolitik, für die Arbeitgebervereinigung BDA Syndikus Thomas Werner. Obwohl es um die private Vorsorge geht, ist auch die ABA Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung mit Geschäftsführer Klaus Stiefermann Teil der Fokusgruppe. Aus der Wissenschaft hat die Bundesregierung die Professoren Constanze Janda, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Raimond Maurer, Goethe-Universität Frankfurt, Oskar Goecke, TH Köln, und Tabea Bucher-Koenen von der Universität Mannheim eingeladen. Vertreter der Bundesbank, der Finanzaufsicht BaFin, der Deutschen Rentenversicherung und des Kanzleramts können als ständige Gäste teilnehmen.

Divergierende Interessen

Bei der privaten Altersvorsorge gibt es weniger ein Erkenntnisproblem als ein politisches Entscheidungsproblem. Die kapitalgedeckte private Vorsorge soll die gesetzliche Rente ergänzen, nachdem die Demografie das Umlageverfahren unter Druck setzt. Die Riester-Rente hat diese Hoffnung nicht erfüllt. Zu komplex in der Handhabung und zu enge Garantievorgaben bei der Anlage, bemängeln die Anbieter. Für Verbraucherschützer verbessert die Riester-Rente vor allem die Rendite der Anbieter, nicht der Anleger.

Die inhaltlichen Positionen sind weitgehend ausgetauscht. In den Stellungnahmen für die Fokusgruppe sind sie erneut manifestiert und offenbaren große Gräben. Der VZBV hat das Modell einer Extrarente für ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt entwickelt. Die Grünen sind mit dem Bürgerfonds, einem ähnlichen Modell, in den Wahlkampf gezogen. Anbietervertreter wie der BVI haben ein „Fondsspardepot“ angeregt, in dem Anleger innerhalb bestimmter Fördergrenzen für das Alter vorsorgen können.

Der VZBV dringt nun zum Start der Fokusgruppe auf eine Grundsatzentscheidung. „Riester ist ge­scheitert, darüber brauchen wir nicht mehr monatelang reden“, heißt es in einer Erklärung. Intention dabei ist, keine Zeit zu verschenken und gleich über das öffentliche Fondsmodell zu reden. GDV und andere Anbieter sind dagegen an einer modifizierten Förderung privater Vorsorge interessiert. Das Bundesfinanzministerium will nach eigenem Bekunden mit einer Bestandsaufnahme des Status quo loslegen und Verbesserungen für bestehende Riester-Verträge diskutieren. Mögliche Anreize für untere Einkommensgruppen stehen auch auf der Agenda. Bis zum Sommer gibt es damit nicht nur genügend Diskussionsstoff, sondern auch jede Menge Gräben zu schließen.

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