Standortprobleme

„Trump hat die kritische Situation Deutschlands weiter verschärft“

Ökonomen warnen vor einem giftigen Cocktail aus Strukturproblemen und Geopolitik. Besonders hart könnte es ausgerechnet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft treffen.

„Trump hat die kritische Situation Deutschlands weiter verschärft“

„Kritische Situation für Deutschland“

Ökonomen warnen vor giftigem Cocktail durch Strukturprobleme und Geopolitik

mpi Frankfurt

Die US-Zölle machen ausgerechnet dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft stark zu schaffen. „Der Mittelstand ist besonders anfällig“, stellt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies (CFS), fest. Ihm seien „nicht wenige“ mittelständische Automobilzulieferer bekannt, die durch die Zölle in die Insolvenz gerutscht sind. Diese Beobachtung teilte er auf einer Podiumsdiskussion des CFS über die Folgen der US-Politik auf die deutsche und europäische Wirtschaft.

„Die Welt der Abschottung von Donald Trump ist keine Welt, in der Europa florieren kann“, sagte Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust. Er warnte aber Politik und Unternehmen davor, die schwierige geopolitische Lage als Ausrede zu nutzen, um die selbstverschuldeten strukturellen Probleme nicht anzugehen. So dürften die Zölle für sich genommen auch nicht ausreichen, um ein Unternehmen in die Insolvenz schlittern zu lassen. Gepaart mit der geringeren internationalen Wettbewerbsfähigkeit – die insbesondere den Automobilsektor betrifft – können die Zölle jedoch für den Todesstoß sorgen. „Trump hat die kritische Situation Deutschlands weiter verschärft“, sagte Heise.

Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, sieht die europäischen Unternehmen bei den Zöllen zudem in einer schwachen Position. „Wir liefern nichts, was die USA unbedingt brauchen wie Seltene Erden“, sagte er. „Statt eines Mercedes können die Amerikaner auch einen Cadillac kaufen, statt des französischen Weins den aus Kalifornien.“ Da die amerikanische Nachfrage nach den europäischen Produkten dementsprechend elastisch ist, könnten Unternehmen die Zollkosten nicht eins zu eins an die Konsumenten weitergegeben und müssten eine geringere Marge in Kauf nehmen.

„Politischer Zwerg“ Europa

Dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, weshalb sich die Zölle bislang wenig bemerkbar machen bei der US-Inflation. Die meisten Ökonomen gehen zwar davon aus, dass sich dies noch ändern wird, die Schätzungen sind aber weit geringer als noch vor einem halben Jahr. So erwartet etwa die KfW einen inflationären Effekt für die USA von 1,0%, die DekaBank sogar nur von 0,8%. Die Vorgehensweise der EU im Handelsstreit mit den USA sei die „Reaktion eines kleinen Landes“ gewesen, sagte Deka-Chefökonom Ulrich Kater bei der Podiumsdiskussion.

Wegen der hohen Abhängigkeit Europas von den USA hätte die EU nicht anders auftreten können, auch wenn rein von der Wirtschaftskraft Europa nicht klein ist. „Doch Europa ist politisch ein Zwerg“, sagte Kater. Für eine größere politische und wirtschaftliche Bedeutung, da waren sich die Podiumsteilnehmer einig, braucht es einen stärkeren europäischen Ansatz, etwa die Vollendung des Binnenmarktes.

Für einen vertieften Kapitalmarkt in Europa hatte Bundeskanzler Friedrich Merz Mitte Oktober eine gemeinsame europäische Börse ins Spiel gebracht. Der Vorstoß fiel auf viel Wohlwollen, etwa bei Notenbankern wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Volker Brühl vom CFS geht dagegen nicht davon aus, dass eine europäische Börse zu mehr Börsengängen führen würde. Die Ursache für die „ernüchternde Anzahl an IPO in Europa“ liege an den fehlenden Analysten und Tech-Investoren in der EU. „Die Top-Research-Analysten sitzen in der Wallstreet und der Londoner City und nicht in der EU und erst recht nicht in Frankfurt“, sagte Brühl.