Geldpolitik

Türkischer Leitzins springt auf 25 Prozent

In veränderter Besetzung macht die türkische Zentralbank mit einer unerwartet kräftigen Zinserhöhung Eindruck an den Finanzmärkten.

Türkischer Leitzins springt auf 25 Prozent

Türkischer Leitzins springt auf 25 Prozent

Notenbank hebt Schlüsselsatz unerwartet kräftig an – Auftrieb für gebeutelte Landeswährung Lira

Die türkische Zentralbank macht mit einer unerwartet kräftigen Zinserhöhung um 7,5 Prozentpunkte Eindruck an den Finanzmärkten. Vor dem Hintergrund steigender Inflationsraten liefert sie damit den bislang deutlichsten Hinweis auf eine Rückkehr zu konventioneller Geldpolitik. Der tief gefallenen Lira tut das gut.

rec Frankfurt

Die türkische Zentralbank hat die Finanzmärkte mit einer unerwartet kräftigen Zinserhöhung beeindruckt. Sie hob den Schlüsselsatz um gleich 7,5 Prozentpunkte auf 25% an. Das ist der höchste Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten und der bislang deutlichste Hinweis, dass die Zentralbank in veränderter Besetzung allmählich zu einer eher konventionellen Geldpolitik zurückkehrt.

Es ist die dritte Zinserhöhung, seit die ehemalige Wall-Street-Bankmanagerin Hafize Gaye Erkan das Amt der Notenbankchefin übernommen hat. Die ersten beiden Schritte von in Summe 9 Prozentpunkten waren an den Märkten noch als unzureichend durchgefallen. Der taumelnden Lira gaben sie kaum Halt.

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Das ist diesmal anders: Die über Jahre tief gefallene Landeswährung gewann im Nachgang des Zinsentscheids rund 7% zum Dollar an Wert. Analysten hatten im Vorfeld lediglich mit einer milderen Zinserhöhung auf 20% gerechnet, was den Kurssprung erklärt. Als wesentlichen Grund für die starke Zinserhöhung führt die Notenbank den verschlechterten Inflationsausblick an.

Im Laufe des Frühjahres war die Inflation zunächst auf 38% zurückgegangen. Seitdem steigt sie allerdings wieder. Aktuell liegt sie bei 47%, Tendenz weiter steigend. Die Notenbank macht dafür eine Reihe von Faktoren aus: die starke Entwicklung der Binnennachfrage, den Kostendruck durch Löhne und Wechselkurse, die hartnäckige Inflation im Dienstleistungssektor und neue Steuervorschriften.

Steuererhöhungen schlagen durch

Nach der erfolgreichen Wiederwahl von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan im Juni hat Finanzminister Mehmet Simsek mehrere Steuersätze erhöht. Außerdem ist der Mindestlohn in mehreren Schritten stark gestiegen. Das alles wirkt ebenso preistreibend wie der notorische Verfall der Lira, weil er die Importpreise treibt. Vor allem im Energiebereich ist die Türkei auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen. Das schlägt mittelbar auf die Verbraucherpreise durch.

Die Notenbank klingt pessimistischer, was die Entwicklung der Inflation betrifft. Sie kalkuliert aufgrund des wieder anziehenden Preisdrucks damit, dass die Inflation bis Jahresende das obere Ende ihrer Prognosespanne erreicht, bei 62%. Auch in zwei Jahren dürfte die Türkei laut den Prognosen noch mit zweistelligen Inflationsraten im Bereich von 20 bis 25% zu kämpfen haben.

Das Inflationsziel von 5% liegt somit in weiter Ferne. Die Zentralbank stellt deshalb weitere Zinserhöhungen in Aussicht, bis sich der Inflationsausblick verbessert. "Der jüngste Zinsschritt ist bedeutsam und wird die Erwartungen für den Zinsgipfel erhöhen", konstatiert Muhammet Mercan, Analyst der niederländischen Bank ING.

Beobachter mutmaßen, dass weitere Umbesetzungen im Zentralbankrat in jüngster Zeit ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Erdogan hat nach seiner Wiederwahl eine Kehrtwende in der Geldpolitik eingeleitet, nachdem er jahrelang trotz hoher Inflation und immer drastischerer Wechselkursverluste stoisch auf niedrigen Zinsen bestanden hatte. Diese Kehrtwende schlägt sich auch in der Personalpolitik nieder: Zuletzt sind drei neue Notenbanker ins Entscheidungsgremium eingezogen, darunter ein früherer Berater der Federal Reserve Bank von New York.

Der Kurs der Lira ist in den vergangenen zwei Jahren zum Dollar um rund 70% eingebrochen. Am Donnerstagnachmittag kostete ein Dollar etwa 25,50 Lira. Im November 2021 war der Wechselkurs noch einstellig gewesen. Vor dem Kurswechsel der Notenbank hatte der Leitzins im Mai bei 8,5% gelegen.

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