NOTIERT IN LONDON

Über Bilder und die, die sie aufhängen

Viel ist über das Verhältnis von Kunst und Macht geschrieben worden. Bildende Kunst spielt auch bei der Selbstinszenierung der großen Akteure in der Londoner City eine große Rolle. Man lässt sich gerne mit Skulpturen fotografieren. Im Sommer stand...

Über Bilder und die, die sie aufhängen

Viel ist über das Verhältnis von Kunst und Macht geschrieben worden. Bildende Kunst spielt auch bei der Selbstinszenierung der großen Akteure in der Londoner City eine große Rolle. Man lässt sich gerne mit Skulpturen fotografieren. Im Sommer stand direkt vor der architektonischen Gurke von Norman Foster in der Square Mile die Bronzefigur “Charity” von Damien Hirst – ein kleines blondes Mädchen mit Beinprothese, das einen Teddybär und eine Spendensammelbüchse bei sich trägt. Sein mit Diamanten besetzter Platinschädel ist derzeit in Skandinavien auf Tour.Kunst schmückt die Sieger der Gesellschaft. So sieht es Wolfgang Ullrich, der vor fünf Jahren Kurator der Ausstellung “Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie” im Deutschen Historischen Museum in Berlin war. Das Bild im Arbeitszimmer ist schon lange Statussymbol. Im Vergleich zu früher hat die Zahl der Führungskräfte, die einen Abschluss in Kunstgeschichte oder vergleichbaren Disziplinen vorweisen können, jedoch deutlich nachgelassen. Sie kommen auch nicht mehr unbedingt aus Familien, deren Alltag von über die Jahrhunderte erworbenem kulturellen Kapital bestimmt wird. Und nicht alle Finanzdienstleister betätigen sich als Mäzene, die ihre Büroflure aus eigenen Beständen bebildern können.Wie aber will man sichergehen, dass man sich nicht das falsche Bild hinter den Schreibtisch hängt, wenn man mehr von Kostenrechnung als von ästhetischen Konventionen versteht? Risikofreude will man nicht unbedingt suggerieren, wenn man das Geld des schottischen Landadels verwaltet. Hedgefondsmanager müssen dagegen Genialität, Entscheidungskraft und Offenheit demonstrieren. Keine Sorge, eine Vielzahl von Geschmacksberatern wuselt durch die britische Metropole. Sie haben auf alles eine Antwort – egal ob man nun die eigenen Mitarbeiter motivieren oder seine Kunden beeindrucken will. Man muss die Kunst auch nicht gleich kaufen. Bei einer ganzen Reihe von Anbietern lässt sich die hochwertige Bürodekoration auch steueroptimiert mieten.Der Kunstdienstleister Ginger White zählt etwa die Bank of England, Grant Thornton sowie die Investmentboutiquen Investec und Liberum Capital zu seinen Kunden. Er bietet an, die Mietkunst alle sechs, zwölf oder 24 Monate auszutauschen. Man sollte dabei vermutlich die Lebensdauer der Kundenbeziehungen im Auge behalten. Mehrfacher Wechsel wirkt doch etwas unstet. Aber wenigstens wird den Mitarbeitern nicht langweilig. Bei Ginger White sind Objekte schon ab 1,50 Pfund pro Woche zu haben. Nach ausführlicher Beratung hängen die Mitarbeiter der Firma die Werke auf und wechseln sie gegebenenfalls regelmäßig aus. Die Themen reichen von “Brazilian Soul” über “Cupcakes” bis “Urban Reflections”. Es gibt Gemälde, Originalfotografien und Drucke. Der Wettbewerber Art Contact offeriert unter anderem, langfristige Kunststrategien zu entwickeln, um bestimmte PR- oder Marketingziele zu erreichen. Auch das Ausmisten bestehender Sammlungen gehört zum Leistungsspektrum. Die Firma ist seit drei Jahrzehnten im Geschäft und hat mehr als 1 000 Künstler in der Datenbank. Auf der Kundenliste finden sich neben Blue Bay Asset Management die Development Bank of Singapore und der Vermögensverwalter Russell Investments.Manchmal braucht man die Kunst ja auch nicht das ganze Jahr über, sondern nur für Aufnahmen zu einem Werbevideo, für eine Kundenveranstaltung oder um zeitweise leerstehende Räume zu füllen. Auch dabei helfen die Kunstberater, die sich auf der Fachmesse Frieze London Mitte Oktober ein Stelldichein geben werden. Hauptsponsor der Veranstaltung ist übrigens die Deutsche Bank. Man sollte sich allerdings, was die Kosten angeht, keine Illusionen machen. Für 1,50 Pfund begeben sich die Kunstexperten nicht aus dem Haus. Bei Art Nova, die auch zu Feng-Shui berät und einen Beatle zu ihren Kunden zählt, liegt das Mindestauftragsvolumen bei 1 200 Pfund. Natürlich spricht man nicht gerne darüber, dass man solche Dienstleister beschäftigt. Die Wirtschaftskanzlei im Londoner Osten, die über eine Großküche für Kundenveranstaltungen verfügt, ist zu diskret, um sich zu ihrem Art Provider zu äußern. Aber auch die Kunst in ihren Fluren ist nur geliehen.