Arbeitszeiten

Überlange Arbeitszeiten so selten wie nie seit der Wiedervereinigung

Überlange Arbeitszeiten von 48 Wochenstunden oder mehr sind so selten wie nie seit der deutschen Wiedervereinigung. Aber auch die Zahl der unfreiwillig in Teilzeit arbeitenden ist zurückgegangen.

Überlange Arbeitszeiten so selten wie nie seit der Wiedervereinigung

Überlange Arbeitszeiten werden weniger

Tiefststand seit der Wiedervereinigung – Unfreiwillige Teilzeit geht zurück

ba Frankfurt

Der Anteil der Beschäftigten mit überlanger Arbeitszeit ist 2022 auf den niedrigsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung gefallen und auch die Zahl derer, die gerne mehr arbeiten würden, ist zurückgegangen. Zudem empfindet ein Großteil der Beschäftigten seine Arbeit als sinnvoll, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag bekannt gab.

2022 arbeiteten 8,3% der rund 30 Millionen Vollzeiterwerbstätigen gewöhnlich mehr als 48 Stunden pro Woche. Dies gilt als überlange Arbeitszeit. 2021 waren es noch 8,9%. Im Durchschnitt arbeiten Vollzeiterwerbstätige 40,4 Stunden in der Woche. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hält die Arbeitszeitentwicklung insgesamt für bedenklich. “Noch nie haben die Deutschen so wenig gearbeitet wie derzeit”, sagte IW-Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei im Einzelfall nachvollziehbar, der Wunsch nach Work-life-Balance, mehr Zeit für Familie und Co. verständlich. “Allerdings schadet diese Tendenz der deutschen Wirtschaft nachhaltig, weil sie bestehende Probleme wie den Fachkräftemangel weiter verschärft”, sagte der Experte. Wenn nicht mehr gearbeitet werde, ginge in den nächsten Jahren spürbar Wohlstand verloren, mahnte Schäfer.

Ursächlich für den Tiefststand der überlangen Arbeitszeiten ist den Statistikern zufolge die Entwicklung bei den Selbstständigen – auch hier ergab sich mit einem Anteil von 38,6% der tiefste Stand seit 1991. Unter den Selbstständigen mit Beschäftigten arbeiteten allerdings noch 48,2% besonders lang.

“Wie eine überlange Tätigkeit können auch zu geringe Arbeitszeiten zur Belastung werden”, mahnten die Wiesbadener Statistiker – und das nicht nur, weil sie meist zu Gehaltseinbußen führten. “Teilweise wird auch kürzer gearbeitet, weil gerade keine Tätigkeit mit höherer Stundenzahl zu finden ist.” 5,7% aller rund 12,5 Millionen Teilzeiterwerbstätigen würden dies als Notlösung betrachteten, da sie keine Vollzeitstelle gefunden hatten. 2021 ging es noch 6,7% so, im Zehn-Jahres-Vergleich zu 2012 mit 15,4% hat sich der Anteil halbiert. Hohe Belastungen könnten leichter geschultert werden, wenn die Arbeitsmotivation hoch sei – ein wichtiger Aspekt ist den Statistikern zufolge dabei die Identifikation mit der ausgeübten Tätigkeit. 88% der Befragten hatten 2021 immer oder oft das Gefühl, sinnhafte Arbeit zu leisten. Zufriedenheit lasse sich auch an der Dauer der Betriebszugehörigkeit messen: 42,8% der Erwerbstätigen waren 2022 seit mindestens zehn Jahren bei ihrem aktuellen Arbeitgeber beschäftigt. 2012 waren es allerdings noch 48,3%.

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