NOTIERT IN LONDON

Unerwünscht in Pilcher-Land

Die Bewohner von St. Ives und Carbis Bay in Cornwall haben den Sommerfrischlern von anderswo die rote Karte gezeigt. Den Leserinnen und Lesern von Rosamunde Pilcher ist das idyllische Hafenstädtchen unter dem Namen Porthkerris vertraut, ein Teil der...

Unerwünscht in Pilcher-Land

Die Bewohner von St. Ives und Carbis Bay in Cornwall haben den Sommerfrischlern von anderswo die rote Karte gezeigt. Den Leserinnen und Lesern von Rosamunde Pilcher ist das idyllische Hafenstädtchen unter dem Namen Porthkerris vertraut, ein Teil der zahllosen ZDF-Verfilmungen ihrer Werke wurde dort gedreht. Die in Cornwall geborene Autorin und ZDF-Hauptredaktionsleiter Claus Beling wurden einst sogar mit einem British Tourism Award ausgezeichnet. Aus Dankbarkeit, denn die Sehnsucht nach der in den TV-Schmonzetten dargestellten traditionellen Welt, in der sich jeder noch um den anderen kümmert, sorgte für einen wahren Ansturm deutscher Fans auf den Südwesten Englands.In St. Ives sollen Neubauten künftig nur noch genehmigt werden, wenn sie ihren Bewohnern als Hauptwohnsitz dienen. Die Nachfrage nach Ferienhäusern hatte die Immobilienpreise derart in die Höhe getrieben, dass der Traum vom Eigenheim für Einheimische nahezu unerfüllbar wurde. Hier liegt schon der Angebotspreis für einen Parkplatz bei 37 000 Pfund – über dem durchschnittlichen Jahreseinkommen in Großbritannien. Mehr als ein Viertel des Bestands sind der Gemeinde zufolge Zweitwohnungen, im Zentrum fast die Hälfte. Der durchschnittliche Hauspreis in St. Ives liegt derzeit beim 17,1-fachen Bruttoeinkommen der Bewohner. Kein Wunder, dass mehr als vier Fünftel der Teilnehmer eines Referendums dafür stimmten, nur noch Bauten zu genehmigen, die als Hauptwohnsitze genutzt werden. Wenig überraschend auch, dass eine lokale Baufirma juristisch dagegen vorgehen will. Kritiker verwiesen zudem darauf, dass die Preise für Bestandsimmobilien, die nicht von den Einschränkungen betroffen sind, weiter steigen dürften.Cornwall zählt immer noch zu den Armenhäusern Großbritanniens. Vor zwei Jahren war die ohnehin isolierte Region von der Außenwelt nahezu abgeschnitten. Während der Winterstürme spülte das Meer einen Teil der wichtigsten Bahnlinie einfach weg. Straßen waren unpassierbar. Rest-Britannien reagierte mit Achselzucken, zumal auch der Speckgürtel um die britische Metropole unter Überschwemmungen zu leiden hatte. Der Bergbau, dessen Fördertürme und Maschinenhäuser bis heute den Landstrich prägen, spielt in Cornwall keine Rolle mehr. Vielen bleibt nur Saisonarbeit in der Touristikbranche. Der Abstand zwischen denjenigen, die sich kein Eigenheim leisten können, und denjenigen, die darüber hinaus ein oder mehrere Feriendomizile ihr Eigen nennen, ist enorm.Rosamunde Pilchers Fans wollen auf einem Trip nach Cornwall all die Anblicke, Gerüche und Geräusche in sich aufnehmen, die es ihrer Ansicht nach nur dort geben kann. So echt und authentisch, wie es sich seine Besucher wünschen, ist in Cornwall aber nicht mehr viel, nicht einmal die mit Fleisch und Gemüse gefüllte Cornish Pasty. Die Kelten Cornwalls wurden zwar als nationale Minderheit anerkannt, aber Kornisch (Kernowek) ist, trotz aller Versuche, ein Revival einzuleiten, eine sterbende Sprache. Zuletzt wurden die Mittel zur Sprachförderung drastisch gekürzt.St. Ives wurde schon im viktorianischen England zum Reiseziel. Damals erfolgte die Anbindung an die Great Western Railway, durch die Cornwalls bildschöne kleine Häfen, Sandstrände, mächtige Herrenhäuser und tropische Gärten für die Bewohner der Metropolen der damaligen Zeit leichter erreichbar wurden. Das Städtchen zog mit seinen ganz besonderen Lichtverhältnissen Künstler wie Piet Mondrian an und konnte es künstlerisch ein paar Jahre lang mit Metropolen wie Paris oder London aufnehmen.Heute kommt St. Ives auf rund 1 Million Übernachtungen pro Jahr. Der Fremdenverkehr bringt nach offizieller Rechnung Einnahmen von 87 Mill. Pfund. Mehr als zwei Fünftel der Arbeitsplätze hängen am Tourismus. Reisen nach Pilcher-Land, jenem “Paradies für Cordsakko-Träger und Laura-Ashley-Kleiderständer” wie es die “Welt” beschrieb, werden auch weiterhin gebucht. Dieser Klientel fällt vermutlich nicht einmal auf, wenn das Zimmermädchen Rumänisch spricht. Am Asda Hayle Harbour Superstore und ähnlichen Bauwerken, die nicht ins Bild der heilen Welt von gestern passen, kommen ihre Reisebusse selten vorbei.