Unter Linken
Man mag über den britischen Wahlkampf sagen, was man will, aber richtig bösartig wird es erst, wenn sich Linke – oder solche, die sich dafür halten, – gegenseitig an die Gurgel gehen. Roger Godsiff sieht sich als Opfer einer “Hexenjagd”, einer “bösartigen Rufmordkampagne”, die von “einer kleinen intoleranten und rachsüchtigen Gruppe innerhalb der LGBT-Gemeinde” auf den Weg gebracht worden sei.Der ehemalige Labour-Abgeordnete für den Wahlkreis Birmingham Hall Green machte den Fehler, sich im seit Anfang des Jahres an der Parkfield Community School tobenden Kulturkampf auf die Seite der Eltern zu stellen. Dort setzt der schwule Grundschullehrer Andrew Moffat, der mittlerweile weit über die Grenzen von Birmingham hinaus bekannt ist, seine Ideen, wie man Homophobie schon im frühen Kindesalter begegnen kann, ohne jede Rücksicht auf den kulturellen Hintergrund der Schüler in die Tat um. Die mehr als 700 Schüler stammen fast ausschließlich aus muslimischen Familien. Die Eltern gingen gegen Moffat auf die Straße und forderten ein Mitspracherecht bzw. einen dem Alter der Kinder angemessenen Umgang mit dem Thema. Nicht ohne Aussicht auf Erfolg: Vor fünf Jahren hatte Moffat nach Protesten christlicher und muslimischer Eltern eine vergleichbare Position an der Chilwell Croft Academy aufgegeben. Doch dieses Mal gab der LGBT-Aktivist nicht nach. Der High Court verhängte Ende November ein Demonstrationsverbot rund um die Schule und brummte den protestierenden Eltern vier Fünftel der Verfahrenskosten auf. Führende Politiker aller Parteien – von Boris Johnson (Tories) über Vince Cable (Lib Dems) bis Jess Phillips (Labour) – stellten sich auf die Seite des Lehrers und gegen die vermeintliche Homophobie der demonstrierenden Eltern. Da half es auch nicht, dass “Wir sind keine Schwulenfeinde” auf den Plakaten stand, die von den Müttern hochgehalten wurden.Nur Godsiff, der den Wahlkreis 27 Jahre lang in Westminster vertrat, sagte den Eltern, sie hätten ein berechtigtes Anliegen. Mit 73 Jahren hängt man seine Fahne eben nicht mehr in jeden Wind. Seine Ex-Genossin Angela Rayner, die im Falle eines Labour-Wahlsiegs Bildungsministerin würde, meldete die aus ihrer Sicht “diskriminierenden und unverantwortlichen” Aussagen Godsiffs sogleich der Parteiführung. Daraufhin wurde er angewiesen, die umstrittenen Aussagen nicht zu wiederholen. “Ich habe den Interessen meiner Wähler immer Vorrang gegeben, und ich gebe Drohungen nicht nach”, konterte Godsiff. Er habe sich nicht für ein Vetorecht der Eltern eingesetzt, sondern für das Recht auf Mitsprache, wenn es darum geht, wie die heikelsten Aspekte des Gleichberechtigungsgesetzes kleinen Kindern vermittelt werden. Das nationale Exekutivkomitee seiner Partei ließ ihn schließlich wissen, dass man seine Kandidatur nicht mehr unterstützen werde. Stattdessen stellte Labour Tahir Ali auf, für den die protestierenden Eltern “religiöse Eiferer” sind. Godsiff trat deshalb zu den gestrigen Parlamentswahlen als unabhängiger Kandidat an, unterstützt von Vertretern der Eltern.”Der ganze Ton der Debatte ist böse und unterdrückerisch, es ist Politik auf dem Niveau der Gosse”, behauptete Ali. “Einige Leute” seien entschlossen, eine “Wir gegen die”-Kultur zu schaffen. Und wohin das führe, habe man ja beim jüngsten Anschlag in London gesehen. “Wir haben bereits gesehen, dass es nur eines Individuums bedarf, das auf Grundlage des so aufgestachelten Hasses handelt” – sagte Ali, der die besorgten Eltern damit allesamt unter Terrorverdacht stellte. Labour-Unterstützer trauten sich wegen der “entzweienden und hasserfüllten Kampagne” seines Ex-Genossen nur in großen Gruppen auf die Straßen des Einwandererviertels Sparkhill, in dem die Schule liegt, um Wahlkampf zu machen.Ali klagte, die Lehman Brothers stünden hinter den rechten Printmedien, die Labour das Leben schwermachten. Er meinte wohl die Barclay Brothers, denen der konservative “Telegraph” gehört. Antisemitismus, Dummheit oder ein wenig von beidem? Godsiff, der als erster britischer Abgeordneter den Hamas-Führer Chalid Maschal in Damaskus besuchte, wollte da nicht nachstehen: Er stellte sich mit einem Flugblatt hinter das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat, als würde darüber in Westminster entschieden.