Unternehmen setzen auf Berliner Fiskalimpuls
Unternehmen setzen auf Berliner Fiskalimpuls
Ifo-Geschäftsklima steigt – Konjunkturerwartungen höher, Lagebeurteilung aber schlechter – KfW hebt Wachstumsprognose an
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Trotz steigender Belastungen durch höhere US-Zölle und eine nachträglich als länger und tiefer eingestufte Rezessionsphase der deutschen Wirtschaft, scheint sich die Unternehmensstimmung langsam wieder zu fangen. Ökonomen halten das allerdings für einen schlichten Hoffnungswert. Oder steckt doch mehr dahinter? Die KfW-Volkswirte jedenfalls rechnen für 2026 schon mal mit mehr Wachstum als bisher prognostiziert.
Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen hat sich überraschend weiter aufgehellt und nährt die Hoffnung auf mehr Wachstum der deutschen Wirtschaft. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im August auf 89,0 Zähler, nach 88,6 Punkten im Juli, wie das Münchner Ifo-Institut auf Basis seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einer Stagnation gerechnet.
Damit legte der Index den sechsten Monat in Folge zu und erreichte den höchsten Wert seit April 2024. Dennoch bleibt Ifo-Präsident Clemens Fuest zurückhaltend mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung: „Die Erholung der deutschen Wirtschaft bleibt gleichwohl schwach“. Denn der Anstieg des Barometers ist vor allem auf verbesserte Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Die aktuelle Lage wurde hingegen nochmal schlechter eingeschätzt.
In Trippelschritten
„Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich in Trippelschritten aus der Stagnation“, kommentiert Ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt noch im Frühjahr geschrumpft war, dürfte es laut Ifo im dritten Quartal voraussichtlich um 0,1% zulegen. Im verarbeitenden Gewerbe sank die Stimmung im August leicht. Die Unternehmen zeigten sich etwas weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften. Auch die Erwartungen wurden leicht nach unten korrigiert. Bei der Auftragsentwicklung zeichnet sich in diesem wichtigen Sektor weiterhin keine Belebung ab.
Eingetrübt haben sich zudem die Exporterwartungen der Unternehmen nach dem Zolldeal zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dieser sieht einen Einfuhrzoll von 15% auf US-Importe aus der EU vor. „Bei den Exporteuren macht sich nach dem Zoll-Deal mit Trump Ernüchterung breit“, sagte Wohlrabe.
Bei den Investitionsgüterherstellern verbesserte sich die Stimmung hingegen merklich. Bei diesen regt sich laut Ifo-Experte Wohlrabe Hoffnung auf neue Aufträge wegen des „Investitionsboosters“ der Bundesregierung. Das Sofortprogramm der Bundesregierung dient dem schnellen Anschub wachstumswirkender Investitionen – und ist zugleich verbunden mit langfristigen Entlastungen, die der Wirtschaft auf Dauer Planungssicherheit geben sollen. „Die Ifo-Zahlen deuten insgesamt auf eine Belebung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte hin“, meint KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher.
KfW: 1,5 Prozent 2026
Für 2025 erwartet Schumacher statt einer Stagnation nun ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,2%, wie die Förderbank in einem Update seiner Wachstumsprognose mitteilt. Für das kommende Jahr gehe KfW Research dann von einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum von 1,5% aus – immerhin 0,5 Prozentpunkte mehr als bisher erwartet. „Schon im vierten Quartal ist mit einem ersten konjunkturellen Schub durch die Investitionsoffensive des Bundes zu rechnen“, schreibt Schumacher. Anlass für die Prognoserevision ist nach Angaben der KfW auch die steigende Kreditnachfrage der Unternehmen und Haushalte. „Die signifikanten US-Zollerhöhungen seit Frühjahr 2025 scheinen die Unternehmen recht gut zu verkraften.“
Mit ihrer Schätzung steht die KfW nicht alleine da. Auch andere Forschungsinstitute und die Bundesbank halten dieses Jahr ein leichtes Wachstum für möglich und 2026 dann ein deutliches Plus. Noch im zweiten Quartal war die deutsche Wirtschaft geschrumpft. Zurückgehende Investitionen und Exporte sowie die anhaltende Bauflaute ließen das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni um 0,3% zum Vorquartal sinken. In den ersten drei Monaten des Jahres hatte es noch zu einem Wachstum von 0,3% gereicht.
„Gehampel auf niedrigem Niveau“
„Das Ergebnis ist lediglich ein fortgesetztes Gehampel auf niedrigem Niveau. Die Verbesserung reicht jedenfalls nicht aus, um wirklich Wachstumshoffnungen zu schöpfen“, schreibt Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe. Vieles beruhe auf Zukunftserwartungen, deren Erfüllung unsicher sei. Unternehmen müssten sich auch noch auf die neue Zollwelt und den festeren Euro einstellen. Mit der „Fiskal-Bazooka“ stehe zwar ein Wachstumstreiber für 2026 bevor. Die Herausforderung aber bleibe, damit dauerhafte Impulse zu schaffen.
Strenge Angebotspolitik
Prognoseseitig fehle zudem der Glaube, dass die Regierungskoalition hier entscheidend vorwärtskomme. Krüger: „Es wird daher wohl noch eine Weile dauern, bis Investitionsbooster und Bauturbo zünden. Ohne strenge Angebotspolitik wird eine echte Befreiung aus dem Wachstumstal weiter auf sich warten lassen.“
„Von nennenswerter konjunktureller Erholung kann nicht die Rede sein“, urteilt auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP-Bank. Nach Ansicht von Christian Melzer, Volkswirt bei der Dekabank, steht hinter dem verbesserten Konjunkturklima vor allem die positive Reaktion auf den US-Handelsdeal. Die Unternehmen seien zunächst erleichtert, dass es nicht schlimmer gekommen sei. Zudem dürfte „die reduzierte Unsicherheit die Unternehmen mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft blicken lassen“. Die Wirtschaft bleibe aber insgesamt in einem „schwachen Zustand“.
Steuerliche Entlastung nötig
„Mittelfristig stehen die Zeichen in der Tat auf mehr Wachstum“, zeigt sich Michael Herzum von Union Investment zuversichtlicher. Das Infrastrukturpaket in Deutschland sollte den Unternehmen bereits zum Jahresende zugutekommen. Die steuerliche Entlastung der Konzerne sei ebenfalls auf dem Weg und die Investitionen in die Verteidigung würden längerfristig helfen. Auch die Initiativen auf EU-Ebene, die europäischen Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger zu machen, nähmen Gestalt an. Zudem würden „der Abbau von regulatorischen Hürden und die Innovationsförderungen die deutsche und europäische Industrie langfristig auf einen soliden Aufwärtspfad bringen.“
Sollte sich der Gesamtindex tatsächlich als die aussagekräftigere Größe erweisen, schreibt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen, sei mit dem sechsten Anstieg in Folge die Ifo-Regel für einen unteren Wendepunkt ohne Frage erfüllt. Allerdings könne auch diese Regel irren, warnt Solveen und verweist auf die Jahreswende 2022/23, als die dadurch genährte Hoffnung trotz sechs Anstiegen in Folge wieder zerstob. Stattdessen drehte der Indikator erneut in die Rezession. Auch damals habe der Indexanstieg auf bessere Erwartungen beruht. Solveen: „Ifo kann sich auch irren“.
Kommentar zum neuen Ifo-Geschäftsklimaindex