NOTIERT IN MAILAND

Urlaub in Italien - ein Geduldsspiel

Italien-Reisende müssen dieses Jahr viel Geduld aufbringen. Schon An- und Abreise gestalten sich schwierig. Die Zahl der Flugverbindungen wurde kräftig ausgedünnt. Lufthansa annulliert gebuchte Flüge gleich reihenweise und bietet kaum Ersatz - und...

Urlaub in Italien - ein Geduldsspiel

Italien-Reisende müssen dieses Jahr viel Geduld aufbringen. Schon An- und Abreise gestalten sich schwierig. Die Zahl der Flugverbindungen wurde kräftig ausgedünnt. Lufthansa annulliert gebuchte Flüge gleich reihenweise und bietet kaum Ersatz – und die Service-Hotline ist “wegen der außerordentlich hohen Anzahl von Kundenkontakten” über Tage nicht erreichbar. Die Flugpreise sind zum Teil selbst bei Billigairlines wie Easyjet oder Ryanair kräftig gestiegen.Das Bel Paese stellt sich auf eine Saison (fast) ohne ausländische Gäste ein, die 2019 mehr als 44 Mrd. Euro zu den touristischen Einnahmen von 84 Mrd. Euro beigesteuert haben. Vor allem das Fehlen der kauffreudigen Amerikaner, Russen und Chinesen macht sich bemerkbar. Der Tourismusverband rechnet mit 12,8 Millionen weniger Touristen aus dem Ausland. Betroffen sind vor allem Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, deren Auslastung oft bei nur 30 % oder darunter liegt. Viele Häuser können so nicht kostendeckend arbeiten und machen gar nicht erst auf – zumal zusätzliche Ausgaben für Coronavirus-Sicherheitsmaßnahmen anfallen.Für einen kleinen Ausgleich sorgen – zumindest in Norditalien – Deutsche, Schweizer, Franzosen und Österreicher – die meist mit dem Auto kommen. Sie steuern vor allem die Strände an, weniger Kunststädte wie Rom, Venedig und Florenz oder die Shopping-Metropole Mailand, wo es oft noch strengere Einschränkungen gibt.In der Lombardei, die von der Pandemie besonders betroffen war und ist, müssen Schutzmasken sogar draußen getragen werden. Und auch in den vielen Museen gelten selbst bei großer Hitze strenge Maßnahmen. Zahlreiche Einschränkungen gibt es auch in Hotels, Restaurants und Cafés. In der Eisenbahn sind Reservierungen selbst in Regionalzügen obligatorisch, und am Strand muss man seinen Platz, etwa in den Strandbädern, die deutlich teurer geworden sind, vorher reservieren. Das gefällt nicht jedem Touristen, der im Urlaub auf eine unbeschwerte Zeit hofft. Stark zugenommen hat die Nachfrage nach Ferienhäusern – möglichst mit großem Garten, WIFI und Pool.Es sind vor allem Italiener, die in diesem Jahr Urlaub im eigenen Land machen. Zwar verzichten angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten sechs von zehn Italienern überhaupt auf Ferien. Aber von denen, die sich einen Urlaub leisten, bleiben deutlich mehr als 90 % im Heimatland.Einen Schub für den gebeutelten Fremdenverkehr, der etwa 13 % zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beisteuert, könnten die Urlaubsvoucher von bis zu 500 Euro je Familie mit Jahreseinkommen von unter 40 000 Euro bringen. Einzulösen sind sie in Hotels, bei Vermietern von Ferienwohnung, in Bed-&-Breakfast-Unterkünften und sogar in Strandbädern. Der klamme italienische Staat lässt sich das immerhin 2,4 Mrd. Euro kosten. Geld, das nach Ansicht der Tourismusbranche besser direkt in die gebeutelten Betriebe hätte fließen sollen. Sie bräuchten die Mittel. Denn die vor Monaten beschlossenen Liquiditätshilfen für die Hotels, Gaststätten und Cafés sind vielfach noch gar nicht angekommen, so dass etliche von ihnen zugesperrt haben – vielleicht für immer.Aber jede Krise hat auch Profiteure. Neben einsamen Regionen, die nun vielleicht (wieder)entdeckt werden, sind das Vermieter von Wohnmobilen. Und wer antizyklisch reist, kann in diesen Tagen die sonst übervollen Städte Verona, Venedig oder Florenz so leer erleben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In den Kanälen Venedigs etwa bieten sich ungewöhnliche Eindrücke wie Delfine, die sich im klaren Wasser tummeln. Und die Kreuzfahrt-Ungetüme sind auch weg.Urlauber müssen sich trotzdem oft mit Geduld wappnen. Der Investitions- und Wartungsstau im Straßennetz des Landes hatte in den letzten Monaten zu Brückeneinstürzen geführt und in einigen Tunnels fielen Steinbrocken auf die Fahrbahn. Statt den Lockdown für Kontrollen zu nutzen, werden die Bauwerke auf Anweisung der Regierung ausgerechnet jetzt gründlich überprüft. Kilometerlange Staus mit stundenlangen Verzögerungen an der Adria, vor allem aber in Ligurien, sind die Folge. Urlauber können so direkt Zeugen des Verfalls eines Landes werden, das über Jahrhunderte kulturelles und wirtschaftliches Vorbild der Welt war.