NOTIERT IN BRÜSSEL

Vergangenheit und Zukunft

Wenn in Brüssel zwischen dem berühmten Magritte-, dem ungewöhnlichen Musikinstrumenten- und dem kleinen, aber feinen Schaarbeeker Biermuseum und all den anderen Kulturhäusern noch ein weiteres Museum seine Türen öffnet, ist dies eigentlich nicht...

Vergangenheit und Zukunft

Wenn in Brüssel zwischen dem berühmten Magritte-, dem ungewöhnlichen Musikinstrumenten- und dem kleinen, aber feinen Schaarbeeker Biermuseum und all den anderen Kulturhäusern noch ein weiteres Museum seine Türen öffnet, ist dies eigentlich nicht besonders bemerkenswert. Wenn es aber um ein Projekt des Europäischen Parlaments geht, dessen Umsetzung 55 Mill. Euro kostete und zehn Jahre in Anspruch nahm, dann lohnt doch ein zweiter Blick. Seit dem vergangenen Wochenende ist nun also das Haus der Europäischen Geschichte eröffnet. Auf 4 000 Quadratmetern wird hier versucht, Europas Entwicklung der letzten 200 Jahre nachzuerzählen. Es ist ein Haus, das irgendwie perfekt in die aktuellen Diskussionen über neue Weichenstellungen in der EU passt. “Man muss seine eigene Vergangenheit kennen, um auch in die Zukunft gehen zu können”, sagte Hans-Gert Pöttering bei der Eröffnung. Der CDU-Politiker gilt als Vater des Museums. Bei seiner Antrittsrede als EU-Parlamentspräsident 2007 hatte er das Projekt vorgeschlagen. Heute, sagt der 71-Jährige, sei das Haus wahrscheinlich noch bedeutsamer als damals. *Auch vor zehn Jahren war die Idee, ein “Europa-Museum” zu errichten, nicht neu gewesen. In den neunziger Jahren hatte die EU-Kommission darüber nachgedacht, in verschiedenen großen Museen “europäische Säle” zu eröffnen. In Brüssel gab es 1997 auch einmal eine private Initiative für ein solches Haus. Wie auch auf nationaler Ebene versandeten solche Vorstöße aber wieder relativ schnell. In Deutschland ist eine Eröffnung mit dem “Haus der Geschichte” in Bonn zwar gelungen und durchaus erfolgreich. Aber in den Niederlanden war ein vom dortigen Parlament lanciertes Projekt für ein “Nationaal Historisch Museum” 2010 wieder aufgegeben worden. Und in Frankreich konnte sich der damalige Präsident Nicolas Sarkozy nicht mit seinen Museumsplänen durchsetzen – was an den Kosten, aber vor allem auch an der Darstellung der nationalen Geschichte lag. Denn so komisch, wie dies eigentlich im 21. Jahrhundert klingen sollte: Die Deutungshoheit über die eigene Geschichte kann auch im heutigen Europa immer noch eine hochpolitische Angelegenheit sein, wie zum Beispiel auch aktuelle Diskussionen in Polen oder Ungarn zeigen. Dass daher die Eröffnung eines europäischen Hauses der Geschichte gelingt, wurde auch in Brüssel nicht für selbstverständlich erachtet. Das Expertenkomitee, bestehend aus zehn Wissenschaftlern aus acht Ländern, hat hier aber ganze Arbeit geleistet, auch wenn es zu einzelnen Punkten (etwa die Bedeutung der katholischen Kirche) durchaus Kontroversen gegeben haben soll. *Das jetzt eröffnete Museum liegt im Parc Léopold, einen Steinwurf vom EU-Parlament entfernt. Es ist im Eastman-Gebäude untergekommen, einem traditionsreichen Art-déco-Haus, das der US-Unternehmer George Eastman (der Erfinder der “Kodak”-Kamera) hier 1935 als Zahnklinik für bedürftige Kinder hat bauen lassen. Der Umbau zum heutigen siebenstöckigen Museum wurde von französischen, belgischen sowie von deutschen Architekten (JSWD aus Köln) begleitet. Rund 350 000 Besucher werden künftig pro Jahr erwartet – bei kostenlosem Eintritt. Sie erwarten rund 1 500 Exponate, zum Großteil Leihgaben aus ganz Europa, die mit Hilfe eines Tablets, das jeder Besucher für seinen Rundgang erhält, zugänglich gemacht werden sollen. Ziel war nämlich eine Präsentation der europäischen Geschichte in allen 24 Amtssprachen der EU. Dies war nur über technische Hilfsmittel möglich. *Die ersten Reaktionen auf das Haus der Europäischen Geschichte und seine Dauerausstellung sind durchaus positiv, auch wenn die arg reduzierte und verkürzte Darstellungsform der Zeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gewöhnungsbedürftig ist. Das Haus soll aber auch helfen, die Diskussion über die Zukunft der EU voranzutreiben, so EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Ob dies gelingt, muss sich erst noch zeigen.