NOTIERT IN SCHANGHAI

Verkehrte Handy-Welt

Im Handelsstreit zwischen China und den USA hat sich die schrille Tonlage etwas gelegt. Hilft das auch Apple und Huawei, den führenden Handybauern auf beiden Seiten des Pazifiks? Sie sehen sich als technologische Speerspitzen tief in den Strudel des...

Verkehrte Handy-Welt

Im Handelsstreit zwischen China und den USA hat sich die schrille Tonlage etwas gelegt. Hilft das auch Apple und Huawei, den führenden Handybauern auf beiden Seiten des Pazifiks? Sie sehen sich als technologische Speerspitzen tief in den Strudel des Handelsdisputs eingerollt. Huawei ist als Telekomausrüster und wichtiger Player in Sachen 5G-Netzwerktechnik ein Unternehmen, das Washington aus sicherheitspolitischen Gründen immer weiter auszugrenzen versucht. Apple wiederum ist Trump ein Dorn im Auge, da sie die gesamte Weltmarktproduktion für das iPhone und andere Geräte auf chinesischem Boden über Auftragsfertiger abwickeln lässt.Im Prinzip ist jedes in den USA verkaufte iPhone handelsbilanztechnisch gesehen ein chinesisches Exportprodukt, das sich wunderbar mit Strafzöllen belegen lässt, um Apple zu einer Fertigungsstrategie “made in USA” zu animieren. Werden Apple-Geräte mit Strafzöllen belegt oder aber unter erheblichen Mehrkosten in den USA zusammengebaut, kriegt der US-Verbraucher das im Portemonnaie zu spüren. In China würde das Schadenfreude auslösen. Man ärgert sich schon länger darüber, dass in China gefertigte iPhones trotz kürzerer Transportwege deutlich teurer als in den USA angeboten werden. Chinas Kundschaft lässt sich bei westlichen Konsumgütern mit Kultcharakter halt besonders gut melken, so das Kalkül in Cupertino.Apple geizt zwar mit konkreten Zahlen, aber es gibt Anzeichen für eine schwächere Auslandsnachfrage nach den neuen Modellen XR und XS. Liegt das auch daran, dass Chinas Konsumenten im Zuge des Handelskonflikts den Gürtel enger schnallen oder gar eine stärker patriotische Gesinnung auf die unsichtbare Hand des Marktes bei der Handywahl einwirkt?Bei der Frage, ob es denn ein Apple- oder ein in der Regel günstigeres Huawei-Handy sein darf, stoßen chinesische Konsumforscher auf hochinteressante Erkenntnisse. Beim Schanghaier Researchhaus Mobdata wird das Kundenverhalten auf eine einigermaßen überraschende These verdichtet: Apple-Käufer sind eher arm und weniger gebildet und Huawei-Nutzer eher vermögend und beruflich überdurchschnittlich erfolgreich. Wie bitte, hat hier jemand etwa Excel-Datenreihen vertauscht? Nein, anscheinend nicht.Mobdata zufolge sind über 60 % der Apple-Käufer in China weiblichen Geschlechts, von denen wiederum knapp 70 % in die Altersgruppe zwischen 18 und 34 Jahren fallen. Dabei handelt es sich tendenziell eher um Niedrigverdiener. Laut der Erhebung liegt knapp die Hälfte bei einem für chinesische Großstadtbewohner unterdurchschnittlichen Salär von weniger als 5 000 Yuan (650 Euro). Rund ein Drittel liegt gar bei Monatsbezügen von weniger als 3 000 Yuan.Die typischen Apple-Nutzer(innen) gehören aber nur statistisch gesehen dem “Prekariat” an, die Forscher sprechen von unsichtbarer beziehungsweise versteckter Armut. Es soll sich um Frauen handeln, die Wert auf das Äußere legen und entsprechend viel dafür ausgeben. Was das für das Erscheinungsbild anscheinend unverzichtbare Apple-Handy angeht, so wird es meist von Eltern, Verwandten oder Partnern verschenkt.Der archetypische chinesische Huawei-Handynutzer wiederum ist eher männlichen Geschlechts und wird in der Altersgruppe zwischen 25 und 45 Jahren angesiedelt. Er ist meist verheiratet und weist in der Regel einen Hochschulabschluss auf, ist in einem White-Collar-Job tätig und beruflich auf ein Handy angewiesen. Dabei werden laut der Erhebung knapp 70 % der Nutzer in einer Gehaltsklasse zwischen 5 000 und 20 000 Yuan angesiedelt.Abgesehen davon ist das Huawei-Handy auch das Smartphone der Wahl für männliche Chinesen mit dezidiert patriotischer Gesinnung, Parteimitgliedschaft, Anstellung im gehobenen öffentlichen Dienst oder Managementposten bei Staatsunternehmen. Mit der Marke Huawei kann man hier garantiert nichts falschmachen. Huawei ist zwar kein Staatsunternehmen, wird aber gerne als Aushängeschild für Chinas staatsgelenkte Wirtschaft verstanden. Und der Ausländern nicht ganz einfach von der Zunge rollende Name nimmt überdies Bezug auf die große Nation und lässt sich ungefähr mit “China unternimmt etwas” übersetzen.