Vorbeugende Ausreden
Dass er ungern Verantwortung für Niederlagen übernimmt und dass der Gedanke daran, sich für Entgleisungen zu entschuldigen, US-Präsident Donald Trump fremd ist, das stellt er immer wieder unter Beweis. Vor dem Hintergrund der anstehenden Kongresswahl, die darüber entscheiden wird, ob der amtierende Präsident während der kommenden zwei Jahre Chancen haben wird, noch ein Gesetz durch den Kongress zu bekommen, hat er nun die Strategie der “vorbeugenden Ausrede” erkoren.Zwar wirbt Trump in zahlreichen Bundesstaaten, in denen die Stühle republikanischer Abgeordneter und Senatoren wackeln, unermüdlich für seine Parteifreunde. “Geht wählen, denn jede Stimme, die ihr für einen Republikaner abgebt, ist eine Stimme für mich”, ruft er den jubelnden Mengen zu. Damit will Trump sicherstellen, dass er im unwahrscheinlichen Fall eines republikanischen Durchmarschs diesen für sich in Anspruch nehmen kann.Ganz anders wird der Präsident das Wahlergebnis am 6. November aber verkaufen, wenn Demokraten, wovon allgemein ausgegangen wird, das Repräsentantenhaus zurückerobern. Privat hat Trump nämlich seinen Beratern unmissverständlich klargemacht, dass er sich von einer Niederlage konsequent und komplett distanzieren wird. Die wirklich relevante Wahl wird zumindest in seiner Wahrnehmung nämlich im November 2020 stattfinden.Auch dann müssen sich wie in diesem Jahr sämtliche 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Drittel der 100 Senatoren den Wählern stellen. Entscheiden wird Amerika dann aber auch, ob Trump weitere vier Jahre an der 1 600 Pennsylvania Avenue residieren darf. Wie der Präsident im engsten Beraterkreis verlautbaren lässt, ist es dieses Jahr nicht seine Verantwortung, sondern vielmehr die von Mitch McConnell und Paul Ryan, den republikanischen Fraktionschefs im Senat und Repräsentantenhaus, dort ihre Mehrheiten zu verteidigen. So gedenkt er eine Wahlschlappe zu verkaufen und will sich mit dem Ergebnis nur dann in Verbindung bringen lassen, wenn seine Parteifreunde in beiden Kammern am Ruder bleiben. *Völlig neu ist die Strategie nicht. In der Erwartung einer klaren Niederlage gegen die Demokratin Hillary Clinton hatte Trump im Herbst 2016 ebenfalls mit Ausreden vorgesorgt: Das Wahlergebnis werde sicherlich manipuliert und verfälscht sein, lautete die vorbeugende Ausrede. Als er dann aus dem Duell sensationell als Sieger hervorging, war das Ergebnis des umstrittenen Electoral College aus Trumps Sicht natürlich völlig in Ordnung. Was dem Narzissmus des Präsidenten eindeutig zuwiderlief, selbst wenn letztlich völlig irrelevant, war die Tatsache, dass Clinton fast drei Millionen Direktstimmen mehr auf dem Konto hatte.Allein deswegen wollte er auf Steuerzahlerkosten Ermittlungen durchführen lassen, die “beweisen” sollten, dass mehrere Millionen Stimmen falsch verbucht worden waren. Den Wunsch nach einer teuren Nachzählung hat Trump längst fallen lassen. Je nachdem, wie die Präsidentenwahl in zwei Jahren ausgeht, vorausgesetzt, er hält noch bis 2020 durch, ist aber fest damit zu rechnen, dass er ähnliche Präventivmedizin für den Fall einer Niederlage vorbereiten wird.Seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen hat der Präsident auch zu verdanken, dass er aktuelle Wählerumfragen für Fake News hält und optimistischer als viele seiner Parteifreunde den vielleicht wichtigsten Midterm-Wahlen in der Geschichte entgegensieht. Ganz Unrecht hat Trump mit seiner Zuversicht nicht. Die Bestätigung des hohen Richters Brett Kavanaugh für den Supreme Court hat seiner politischen Basis in der Tat neues Leben eingehaucht, und im Senat könnten Republikaner sogar ein paar Sitze dazugewinnen. Deutlich schlechter sind allerdings die Aussichten im Repräsentantenhaus, wo nach fast allen Umfragen zu urteilen die Demokraten das Ruder herumreißen werden und sicherstellen könnten, dass Trump keine Gesetze mehr durchpeitschen kann. Man darf gespannt sein, wie tief der Präsident dann in die Trickkiste greift, um neue Dekrete zu erlassen und im Alleingang zu regieren.