Altersvorsorge

Vorbilder Schweden und Kanada könnten helfen

Raus aus dem Mittelmaß in der Altersvorsorge: Peter Nies und Martin Hermann vom Finanzverband CFA Society Germany plädieren für das Modell einer staatlich geförderten Zusatzrente.

Vorbilder Schweden und Kanada könnten helfen

Studien belegen: Das deutsche Altersvorsorgesystem ist im internationalen Vergleich bestenfalls Mittelmaß. Für die längst fällige Reform der staatlichen Förderung sollte der Gesetzgeber über den Tellerrand blicken.

Herr Mustermann geht nach 45 Jahren angestellter Arbeit in Rente. In Deutschland erhält er im Schnitt kaum mehr als die Hälfte seines Nettolohnes (Altersrente im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen aller Versicherten während des Arbeitslebens). In den Niederlanden, Spanien und Österreich würde er 80% oder mehr erhalten.

Zusatzrente

Um das gesetzliche Rentenniveau in Deutschland bei 48% zu stabilisieren (sogenannte „Haltelinie“), bedarf es bereits heute jährlicher Steuerzuschüsse in Höhe von über 100 Mrd. Euro. Dies entspricht fast einem Drittel des gesamten Bundeshaushalts. Die Herausforderungen nehmen angesichts der demografischen Entwicklung – Deutschlands Bevölkerung gehört mit einem Durchschnittsalter von über 44 Jahren zu den ältesten der Welt – weiter zu.

Bislang verfügen in Deutschland nur etwa die Hälfte der Erwerbstätigen über eine ergänzende Betriebs- oder Riester-Rente. Hohe Kosten, komplizierte Produkte sowie geringe Flexibilität und Transparenz machen viele Modelle unattraktiv.

Hebel, um den verschleppten Reformen und Versäumnissen zu begegnen, liegen aus Sicht des Finanzverbands CFA Society Germany in einer massiven Ausweitung der Zahl derjenigen, die an einer betrieblichen (bAV) oder privaten Altersvorsorge (pAV) partizipieren. Mit einem durchdachten Modell einer staatlich geförderten Zusatzrente ließe sich zudem das Ziel einer deutlichen Steigerung der Rentenansprüche erreichen.

Private Altersvorsorge und bAV machen in Deutschland derzeit rund 25% des Beitragsaufkommens der drei Säulen aus. Zwar sind Arbeitgeber mittlerweile davon befreit, innerhalb der bAV eine Mindestrentenhöhe zu garantieren. Viele Produkte sind jedoch an Zins- beziehungsweise Beitragsgarantien gebunden und unrentabel angelegt. Riester und Rürup, als Gestaltungswege der geförderten privaten Vorsorge, ziehen aufgrund ihrer hohen Verwaltungs- und Vertriebskosten regelmäßig Kritik auf sich. Im aktuellen „Positionspapier zur Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge“, das auf den Ergebnissen globaler Vergleichsstudien basiert, bringt der Verband eine Zusammenführung der bisher getrennt betrachteten Bereiche bAV und pAV in den Diskurs ein. Was ist damit gemeint? Es geht darum, produktive Formen staatlicher Lenkung und Förderung mit marktwirtschaftlichen Lösungen zu verbinden. Dafür sollten – auch wenn internationale Strukturen nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar sind – europäische Nachbarn und Kanada als Vorbilder herangezogen werden.

Es reicht vollkommen, wenn wir in zwei Anlegertypen denken: Diejenigen, die Standardlösungen von Lebensversicherern und Pensionskassen bevorzugen. Und diejenigen, die Wert auf mehr Selbststeuerung in der Geldanlage legen.

Für die standardisierte Anlageauswahl von bAV und pAV schlagen wir eine zentrale Plattform vor. Diese ließe sich in der Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts mit dem Bund als Träger installieren. Beispiele wie das schwedische ITP/Collectum-Modell legen nahe, dass eine solche Lösung keineswegs ein bürokratisches Monster sein muss. Die Gesamtkosten (inkl. Management und Verwaltung) liegen dort bei circa 0,20 bis 0,45% des Pensionsvermögens pro Jahr, ein Bruchteil der Riester-Kosten. Auf Zinsgarantien wird verzichtet und verstärkt in rentablere Anlagen wie Aktien angelegt.

Depots bei Direktbanken

Für das Pendant der selbstbestimmteren Vermögensanlage können wir uns an den kanadischen Vorsorgekonten (sogenannte Regulated Retirement Savings Plans) orientieren und diese über individuelle Depots bei Direktbanken realisieren. Diese Konten werden ausschließlich für die betriebliche oder private Altersvorsorge genutzt und bieten ein diversifiziertes Spektrum zugelassener Assets. Beitragszahlungen werden steuerlich abzugsfähig getätigt. Bei Erreichen der Altersgrenze wird das Kapital in eine Rente auf Lebenszeit umgewandelt.

Wir empfehlen, den Vorsorgenden für die Auszahlungsphase optional die Beteiligung an sogenannten Annuity Pools anzubieten. Diese ermöglichen eine höhere Rente auf Lebenszeit, als dies mit den bisher üblichen Garantieprodukten darstellbar ist.

In der breiten Rentendiskussion in Deutschland stellen Reformideen zumeist entweder auf die Einnahmenseite (Beitragssätze, Zuschüsse) oder die Ausgabenseite (Eintrittsalter, Rentenniveau) der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die von der CFA Society Germany dargelegten Vorschläge sollen genutzt werden, um eine Öffnung und Ausweitung der staatlich geförderten Zusatzrente auf möglichst viele erwerbstätige Personengruppen und Bevölkerungskreise zu erreichen.

Ähnlich wie in Großbritannien könnte eine automatische Teilnahme erfolgen, sofern die Beschäftigten nicht aktiv widersprechen (sogenanntes Opting-out). Ziel ist eine deutliche Steigerung der Rentenhöhe durch massiv niedrigere Kosten und eine erheblich rentablere Anlage. Das Modell würde aufgrund seiner Benutzerfreundlichkeit und der Flexibilisierung der geförderten Beiträge auch den modernen Arbeitswelten besser entsprechen – bei Jobwechsel wird der Vertrag einfach mitgenommen. Dies wäre nicht zuletzt auch ein Beitrag für den Finanzplatz Deutschland.