Konjunkturprognose

Forschungsinstitute warnen vor expansiver Fiskalpolitik

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute geben in ihrer Gemeinschaftsdiagnose zwar Entwarnung in Sachen Rezession. Wegen der hohen Inflation warnen sie aber vor einem weiter expansiven Kurs des Staates.

Forschungsinstitute warnen vor expansiver Fiskalpolitik

Institute ermahnen Fiskalpolitik

„Inflationsdynamik nicht weiter stimulieren“ – Bislang keine Kreditklemme – EZB soll Zinsen weiter anheben

wf Berlin

In ihrer Frühjahrsprognose haben die Wirtschaftsforschungsinstitute für die 2023 drohende Rezession Entwarnung gegeben. Die Kerninflation bleibe aber hoch. Deshalb warnen die Wissenschaftler in ihrer Gemeinschaftsdiagnose vor einem weiter expansiven Kurs des Staates. „Die Finanzpolitik ist gut beraten, die gegenwärtige Inflationsdynamik nicht mit weiteren Programmen zur Stimulierung der Nachfrage zu befeuern“, sagte Timo Wollmershäuser vom Münchener Ifo-Institut. „Und die Geldpolitik muss ihren restriktiven Kurs so lang fortsetzen, bis sich der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb spürbar verlangsamt.“

Die Inflation sei inzwischen stark binnenwirtschaftlich bedingt und eine Folge der makroökonomischen Politik in der Corona-Pandemie und der Energiekrise, konstatieren die Institute. Diesen – primär angebotsseitigen – Störungen sei der Staat mit einer expansiven Fiskalpolitik begegnet. Die Geldpolitik habe sie zu weiten Teilen alimentiert. Seit Ausbruch der Pandemie habe sich ein erheblicher Nachfragesog aufgebaut, halten die Institute fest. Dadurch seien die Preise an den Gütermärkten und die Gewinne der Unternehmen gestiegen. Der Prognose der Institute zufolge wird der Staat sein Finanzierungsdefizit in diesem Jahr nur leicht auf 2,2% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringern. Erst im kommenden Jahr werde der Kurs deutlicher gestrafft und das Defizit auf 0,9% sinken, erwarten die Wissenschaftler im Gutachten. Sie gehen davon aus, dass für die Maßnahmen zur Abfederung des Energiepreisanstiegs kaum mehr Mittel abfließen. Auch die HiIfsprogramme für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen endeten im April 2024. Der erweiterte Zugang zu Kurzarbeit reiche bis zum 30. Juni dieses Jahres. Daraus ergebe sich ein restriktiver finanzpolitischer Effekt von 1% des BIP für 2024. Nicht inbegriffen sind in der Prognose Forderungen innerhalb der Ampel-Koalition wie etwa die Einführung der milliardenschweren Kindergrundsicherung. Für dieses Jahr erwarten die Ökonomen noch einen expansiven Effekt von 0,5% des BIP.

Inflation bleibt vorerst hoch

Die BIP-Prognose selbst haben die Wissenschaftler für das laufende Jahr auf 0,3% angehoben. Im Herbst hatten sie noch einen Rückgang um 0,4% vorhergesagt. Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr dürfte glimpflicher ausgefallen sein als befürchtet, sagte Wollmershäuser. Es sei wegen der wieder gesunkenen Energiepreise weniger Kaufkraft entzogen worden. Dennoch werde die Inflationsrate nur langsam zurückgehen: von 6,9% im vergangenen Jahr auf 6,0% in diesem Jahr. Erst für 2024 rechnen die Institute mit einer deutlichen Milderung auf 2,4%.

Die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor und an den Finanzmärkten sind in die Prognose nicht eingeflossen, obwohl die Institute diese als mögliches Risiko einstufen. Folgen für die Konjunktur würden sich aus einer Kreditklemme ergeben und für den Fall, dass die Europäische Zentralbank ihren restriktiven Kurs verlassen würde, so Wollmershäuser. Torsten Schmidt vom RWI in Essen lenkte den Blick auch auf die privaten Haushalte. Wenn wegen des Zinsanstiegs Kredite und Hypotheken ausfielen, werde sich dies in den Bankbilanzen spiegeln. Stefan Kooths vom IfW Kiel wies darauf hin, dass die Preiskorrekturen bei den Bestandsimmobilien und den jüngst explodierten Baupreisen nötig seien. Nur so werde Wohnungsbau wieder finanzierbar. Der Staat solle diese Preiskorrekturen flankieren. Die Institute raten deshalb zu einer Senkung der Grunderwerbsteuer.

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