Klingbeil zur Kapitalmarktunion

„Wir können nicht mehr lange darauf warten“

Finanzminister Lars Klingbeil fordert schnelle Fortschritte bei der Kapitalmarktunion und stellt deutsche Zugeständnisse in Aussicht. Eine Deregulierung im Bankensektor schließt er zudem nicht aus.

„Wir können nicht mehr lange darauf warten“

„Wir können nicht mehr lange warten“

Finanzminister fordert schnelle Fortschritte bei Kapitalmarktunion und stellt deutsche Zugeständnisse in Aussicht

Bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington dringt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil auf eine stärkere Zusammenarbeit der EU. Angesichts geopolitischer Krisen könne es sich Europa nicht erlauben, noch lange auf die Vollendung der Kapitalmarktunion zu warten.

mpi Frankfurt

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil fordert mehr Tempo bei der europäischen Integration. „Wir können nicht mehr lange darauf warten“, sagte er in Hinblick auf die Vollendung der Kapitalmarktunion auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesbankpräsident Joachim Nagel am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington. Angesichts der geopolitischen Spannungen müsste Deutschland nicht nur seine Zusammenarbeit mit dem globalen Süden intensivieren, sondern auch Europa stärker zusammenrücken. „Europäische Souveränität darf kein Schlagwort bleiben."

Die Vollendung der Kapitalmarktunion scheitert bisher auch daran, dass die EU-Mitgliedsstaten keine Kompetenzen abtreten wollen. „Wir können nicht immer nur sagen, was nicht geht“, sagte Klingbeil. „Deutschland und andere Länder werden sich bewegen müssen.“ Er stellte deutsche Zugeständnisse in Aussicht, ohne diese näher zu spezifizieren.

Auf einen Vorschlag von Bundeskanzler Friedrich Merz für eine gemeinsame europäische Börse blicken Klingbeil und Nagel mit Wohlwollen. „Es ist eine spannende Idee“, sagte der Bundesbankpräsident. Er begrüße, dass es über dieses Thema nun eine politische Diskussion gibt.

Warnung vor Deregulierung

Die Gespräche beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bezeichnete Klingbeil als intensiv und erfolgreich. Es habe innerhalb der G20 ein Bekenntnis zu Multilateralismus gegeben. Joachim Nagel konstatierte dennoch: „Das regelbasierte multilaterale System steht an gewissen Stellen auf dem Spiel.“ Diese Entwicklung sei volkswirtschaftlich teuer. Dem IWF attestiert Nagel eine der wenigen noch gut funktionierenden multilateralen Organisationen zu sein.

Angesprochen darauf, ob zum geplanten Bürokratieabbau in Deutschland auch Deregulierung im Bankensektor gehört, zeigte sich Klingbeil prinzipiell offen. Den Weg der USA werde man aber nicht gehen.

Davor warnt auch Nagel. Die Regulierung im Bankensektor in Europa der vergangenen Jahre habe dazu beigetragen, die Finanzstabilität zu stärken. Dies aufzugeben, wäre „aberwitzig“. Deregulierung sollte wenn überhaupt nur „mit Augenmaß“ geschehen. Wobei Nagel lieber von Vereinfachung von Regeln als von Deregulierung spricht.

Kein Bedarf für Zinssenkung

Geldpolitisch sieht Nagel derzeit keinen Handlungsbedarf für die EZB. Damit reiht er sich ein in eine Riege an EZB-Ratsmitgliedern, die in Washington stabile Leitzinsen signalisierten.

So sagte der irische Notenbankpräsident er sorge sich eher vor einer mittelfristig zu hohen als zu niedrigen Inflation. Sein slowenischer Ratskollege erwartet, dass die EZB ihre Inflationsprognose beim nächsten Update anheben wird. Der estnische Notenbankpräsident warnt wiederum vor Inflationsrisiken durch die Exportkontrollen Chinas bei seltenen Erden. Eine Gegenstimme ist Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau. Bei einer Veranstaltung in New York sagte er, dass es wahrscheinlicher sei, dass der nächste Zinsschritt eine Lockerung als eine Zinserhöhung ist.