WSI-Tarifbericht

WSI-Tarifbericht: Inflationsschock lässt Reallöhne europaweit einbrechen

Die Beschäftigten sind die Verlierer des Inflationsschocks: 2022 haben sie EU-weit 4% an Kaufkraft verloren, so viel wie noch nie. Der Tarifbericht des WSI macht die Übergewinne der Unternehmen als wichtigen Preistreiber aus.

WSI-Tarifbericht: Inflationsschock lässt Reallöhne europaweit einbrechen

“Inflationsschock lässt Reallöhne einbrechen”

WSI-Tarifbericht macht Beschäftigte europaweit als Verlierer aus

ba Frankfurt

Die hohe Inflation lässt europaweit die Reallöhne einbrechen und beschert den Beschäftigten einen bisher einmaligen Kaufkraftverlust. In seinem Tarifbericht macht das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung denn auch die Arbeitnehmer als “Verlierer der aktuellen Inflationskrise” aus. Während die Teuerung zunächst von den enormen Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel getrieben worden war, würden inzwischen Unternehmensgewinne erheblich zum Preisauftrieb beitragen. “In diesem schwierigen Umfeld ergibt sich für die Gewerkschaften die Herausforderung, die Reallöhne zu sichern – und für die Unternehmen die Verantwortung, durch den Abbau der Übergewinne ihren Beitrag zur Rückkehr auf den stabilitätspolitischen Pfad zu leisten”, so das Fazit der Studie.

2022 sind dem WSI zufolge die Reallöhne im EU-weiten Durchschnitt um 4% gesunken. Für das laufende Jahr prognostiziert die EU-Kommission einen weiteren Kaufkraftverlust von 0,7%. Deutschland lag mit einem Rückgang von 4,1% nahe am Mittelwert, für kommendes Jahr wird ein weiteres Minus von 1,3% kalkuliert. Besonders deutliche Verluste gab es 2022 in Estland (9,3%), Griechenland (8,2%) und Tschechien (8,1%). Einzig im Niedriglohnland Bulgarien sind die Reallöhne gestiegen, und zwar um 4,7%.

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Während die Lohnstückkosten EU-weit um 3,3% gestiegen sind, legten die Kapitalstückkosten – auch als Gewinninflation bezeichnet – mit 7,0% deutlich schneller zu. Die Unternehmen hätten ihre Preise stärker erhöht, als dies mit Blick auf die gestiegenen Kosten notwendig gewesen wäre. Aufgrund des Ungleichgewichts bilanzieren die WSI-Forscher Thilo Janssen und Malte Lübker, dass es „mitten in der Krise zu einer Umverteilung zulasten der Löhne und zugunsten der Kapitaleinkommen gekommen ist“. Während die Gewinne ein wichtiger Faktor bei der hartnäckigen Teuerung seien, lasse sich der Preisauftrieb nicht auf die Tarifpolitik zurückführen. Laut der Europäischen Zentralbank (EZB) stiegen die Tariflöhne 2022 um 2,8%. 3% gelten als stabilitätskonform. Auch für Deutschland, wo die Tarifverdienste nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2023 um 2,7% über dem Vorjahresniveau lagen, lasse sich kein Inflationsimpuls der Tarifpolitik ausmachen, erklärten die Forscher. Lange Zeit gab es Befürchtungen, es könne zu einer Lohn-Preis-Spirale und damit einer sich verfestigenden Inflation kommen.

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