LeitartikelGroßbanken

Der Schattenwurf der UBS

Lange musste die UBS befürchten, im europäischen Wettbewerbsumfeld ins Mittelfeld abzurutschen. Nach der Übernahme der Credit Suisse sieht das anders aus.

Der Schattenwurf der UBS

Großbanken

Der Schattenwurf der UBS

Statt ins europäische Mittelfeld abzurutschen, kann die UBS nun großen Nutzen aus dem Takeover ziehen.

Von Daniel Zulauf

Die UBS habe eine Übernahme der Credit Suisse bereits 2016 geprüft – im Bestreben, den Zugriff einer ausländischen Bank zu verhindern. Zwei Tage nachdem die UBS die Katze aus dem Sack gelassen und ihre Pläne zur Vollintegration der ewigen Rivalin endlich publik gemacht hat, plauderte CEO Sergio Ermotti im Gespräch mit der Schweizer «Sonntagszeitung» noch ein wenig aus dem Nähkästchen.

Man habe schon damals gesehen, dass die Credit Suisse das falsche Geschäftsmodell hatte, sagte der Manager. Welche ausländische Bank die Credit Suisse damals hätte kaufen können oder wollen, ist nicht verbrieft. Eine Bank aus der Eurozone war es wohl kaum. Schließlich hatten sich die Euro-Länder nur zwei Jahre davor (2014) die Schaffung der Bankenunion zum Vorsatz gemacht, um so den Boden für einen integrierten und kompetitiven europäischen Bankenmarkt zu schaffen.

Auf einem solchen Markt müssten sich primär interne Übernahmen und Fusionen lohnen, weil er das Erzielen von Größenvorteilen auch über nationale Grenzen hinweg möglich macht. Allerdings sind inzwischen zehn Jahre vergangen, und die Vollendung der Bankenunion lässt immer noch auf sich warten. Auch deshalb ist die nicht zuletzt von den Aufsichtsbehörden erwünschte Konsolidierung des europäischen Bankenmarktes bislang nicht in Gang gekommen. Der Anstieg der Zinsen, der die Ertragslage der europäischen Kredithäuser markant verbessert hat, dürfte zuletzt geholfen haben, den Status quo zu bewahren.

Unbestritten ist indessen, dass es in der Schweiz einen gewaltigen Handlungsdruck gegeben hat. Die Übernahme der Credit Suisse war vielleicht die einzige Variante, die Kunden und die Schweizer Volkswirtschaft als Ganzes vor einem Debakel zu bewahren. Unbesehen von den Begleitumständen macht die UBS nun aber einen Sprung, den selbst Ermotti vor acht Jahren noch kaum für möglich gehalten haben dürfte. Statt ins europäische Mittelfeld oder gar noch tiefer abzurutschen, wie es die Schweizer damals befürchten mussten, kann sich die UBS nun daranmachen, aus dem größten Takeover in der Finanzbranche seit 15 Jahren Nutzen zu ziehen.

Die Erwartungen sind hoch, wie die Börsenperformance der UBS-Aktien eindrücklich belegt. Mit einer Marktkapitalisierung von fast 80 Mrd. Euro hat die UBS BNP Paribas als wertvollste Bank Kontinentaleuropas abgelöst. Die französische Großbank ist in puncto Bilanzsumme und Anzahl Beschäftigter zwar rund ein Drittel größer als die neue UBS. Aber die Investoren trauen den Schweizern in Sachen Rentabilität und Wettbewerbsstärke offensichtlich deutlich mehr zu als den Franzosen. Während der Börsenwert der 100 größten Banken Europas im Durchschnitt nur etwa 70% der ausgewiesenen Eigenmittel erreicht, wie das deutsche Bankberatungsunternehmen ZEB laufend berechnet, bewegt sich der Börsenwert von UBS inzwischen deutlich über dem Buchwert (Eigenkapital).

Ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von größer als eins bedeutet nichts anderes, als dass die Mehrheit der Investoren mit einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes rechnet. Das ist ein starker Vertrauensbeweis, um den sich die Credit Suisse jahrelang vergeblich bemüht hatte. Die Bank war zwar immer in der Lage gewesen, mehr als genug regulatorisches Eigenkapital auszuweisen, aber die Börse billigte diesem in Erwartung künftiger Verluste schon 2016 nur drei Viertel der gezeigten Summe zu, und Ende 2022 war es nur noch ein Viertel. So wie dies eine Warnung für alle hätte sein müssen, sollte nun auch die hohe und steigende Börsenbewertung der UBS als starker Vertrauensbeweis akzeptiert werden, der mehr aussagt als Kapitalquoten und andere Kennzahlen.

Es ist das Signal, dass es im Bankengeschäft eben bedeutende Skalen- oder Größenvorteile gibt, welche die Wettbewerbsposition eines Anbieters entscheidend verbessern und damit auch dessen finanzielle Solidität erhöhen können. Das ist der Schattenwurf der neuen UBS, der möglicherweise auch dazu beitragen wird, dass die Konsolidierung im europäischen Bankenmarkt doch noch Fahrt aufnimmt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.