Im BlickfeldCredit Suisse

Pioniere der Credit Suisse drehen sich im Grabe um

Die Vorfahren von Eric Syz gehörten zu den Gründern und ersten Finanzierern der Credit Suisse. Der Niedergang habe viel dem Verlust der Eigenverantwortung in der Führungsetage zu tun, erklärt der Erbe einer großen Zürcher Unternehmerdynastie.

Pioniere der Credit Suisse drehen sich im Grabe um

Die Pioniere der Credit Suisse drehen sich im Grabe um

Eric Syz ist Bankier und Nachfahre der Bankgründer. Er erklärt das Debakel.

Von Daniel Zulauf, Zürich

Was wäre, wenn Alfred Escher wüsste, was mit seiner Credit Suisse passiert? In Anbetracht der gerade ablaufenden Tilgung dieser 167 Jahre alten Zürcher Großbank wird die Frage oft gestellt.

Für viele ist die Antwort klar: Der Credit-Suisse-Gründer, der einst als überaus einflussreicher Politiker und Wirtschaftsführer auch visionärer Initiator der alpenquerenden Eisenbahnline durch den Gotthard gewesen war, würde sich ob der trostlosen Nachrichtenlage in seinem Grab umdrehen.

Auch der Genfer Bankier Eric Syz erweist sich im Gespräch sehr schnell als ein Freund dieser Metapher. In Fahrt kommt der 66-Jährige bei der Frage, warum die Behörden, die Aktionäre und der Verwaltungsrat so lange zugeschaut haben. Der „tone at the top“ habe sich bei der Credit Suisse schon vor 30 Jahren zum Schlechten zu verändern begonnen, sagt er.

„The tone at the top“

„The tone at the top“ ist ein Begriff aus der Welt der angelsächsischen Rechnungsprüfer und er beschreibt, wie ethische Grundsätze in jeder Organisation von den Führungsorganen an die darunterliegenden Hierarchiestufen weitergegeben werden und eine Firmenkultur entsteht. Die Ausbreitung des Berufsstandes geht auf die Teilung von Eigentümer- und Führungsverantwortung im 19. Jahrhundert zurück. Verantwortung ist ein Kernelement in der Analyse von Eric Syz.

„Firmen mit einer gesunden Kultur haben das Bestreben, ihren Kunden eine gute Leistung zu verkaufen. Der Gewinn ist nur das Ergebnis“, sagt er. Bei der Credit Suisse sei die Gewinnorientierung immer mehr zum reinen Selbstzweck verkommen: „Ich konnte in den obersten Führungsgremien dieser Bank schon lange keine Eigenverantwortung mehr erkennen.“

Eric Syz hat eine besondere Motivation und Position, den Abstieg der Credit Suisse mit scharfem Blick aus der Vogelperspektive zu betrachten. Seine direkten Vorfahren gehörten zum kleinen, aber ungemein vermögenden Kreis jener Zürcher Patrizierfamilien, denen nicht nur die Gründung, Finanzierung und Entwicklung der Credit Suisse, sondern auch der erfolgreiche Aufbau anderer Konzerne wie der Swiss Re oder der Zurich Versicherung zugeschrieben werden kann.

Wo bleibt die Verantwortung?

„In unseren Familien wurde Eigenverantwortung stets hochgehalten“, sagt Syz. „Meine Eltern erklärten mir schon in jungen Jahren: Wir können dir Liebe, Selbstvertrauen und eine gute Ausbildung auf den Weg geben. Wenn du noch etwas erben kannst, umso besser.“ Ein Geldvermögen könne über Nacht verschwinden, hätten ihm die Eltern eingeschärft: „In unserer Familie herrschte ein hohes Maß an Unternehmertum. So wurden wir über x Generationen hinweg erzogen.“

Eric Syz hat geerbt, wie er einräumt. Und er hat damit 1996 in Genf die Banque Syz gegründet. Die Syz-Gruppe betreut mit rund 300 Mitarbeitenden ein Kundenvermögen von um 25 Mrd. sfr. Die Familie ist alleinige Besitzerin und zieht auch operativ die Fäden.

Bis in die 1970er Jahre bildete ein kleiner Kreis von Zürcher Patrizierfamilien mit Namen wie Schulthess, Syz oder Abegg das heimliche Kernaktionariat der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Dass die Bank in den 1990er Jahren den mondäner klingenden Namen „Credit Suisse“ erhielt, um damit beerdigt zu werden, ist für Eric Syz kein Zufall.

Die Credit Suisse sei im Zug der Internationalisierung und Globalisierung seit den 1980er Jahren immer mehr zu einem „Selbstbedienungsladen“ gewisser Managerkreise geworden, konstatiert er mit dem Blick des Eingeweihten. Syz spricht die Praxis externer Firmenberater an, die in der Credit Suisse bekanntermaßen zu einem integralen Bestandteil der Unternehmensführung und der Unternehmenskultur geworden war. Er spricht von Machtspielen und von einem systematischen Schacher mit Verwaltungsratsmandaten, der bei der Großbank schon früh begonnen habe.

Den Zürcher „Filz“ definiert Syz so: „Er besteht aus einer Gruppe von Leuten, die sich gut kennen und die sich gegenseitig Posten zuschieben. Man erweist sich gegenseitig Gefallen und sorgt so dafür, dass man selbst in Ruhe gelassen wird.“ Filz habe es schon zu der Zeit gegeben, als Escher seine Bank gegründet hatte. „Nur waren damals alles Unternehmerfamilien im Boot, die ihr eigenes Geld im Feuer hatten“, sagt Syz. Die Unternehmerfamilien sind als Aktionäre über die Zeit verwässert worden. Politiker und professionelle Strippenzieher hielten ab den 1980er Jahren Einzug in den Verwaltungsräten der SKA. Der Verlust einer „Eigentümerverantwortung“ habe die kulturelle Verluderung der Credit Suisse erst möglich gemacht.

„Als Aktionär stehe ich immer mit in der Verantwortung, wenn es ein Problem zu lösen gibt. Und die Voraussetzung für eine Lösung ist, dass ich akzeptiere, dass das Problem auch mein Problem und nicht nur das Problem eines angestellten Managements ist“, sagt Syz. Geeignete Anschauungsbeispiele bekam der junge Eric Syz auf seinen Wanderjahren im frühen Berufsleben mit. Die ersten Erfahrungen im Banking sammelte er bei der Zürcher Guyerzeller. Adolf Guyer-Zeller war im Zürcher Oberland etwa zur gleichen Zeit im Textilgeschäft reich geworden wie die Vorfahren von Eric Syz.

Lehr- und Wanderjahre

In London nahm sich Sigmund Warburg höchstpersönlich die Zeit, dem jungen Schweizer bei seiner Anstellung in die Augen zu schauen. Diesem war schon beim ersten Gang durch die Kontore der ehrwürdigen SG Warbug Bank aufgefallen, dass dieser Institution eine technologische Auffrischung gut angestanden hätte: „Ich sah viele Frauen, die mit großen Stapeln von Lochkarten herumhantierten, und wunderte mich, dass bei Guyerzeller alles so viel moderner war.“ Auf die Frage nach dem Warum sagte Sigmund Warburg: „Young man, you must understand, it’s much cheaper.“

1995 wurde SG Warburg auf Drängen eines gewissen Marcel Ospel vom Basler „Bankverein“ übernommen (der 1998 mit der Zürcher Bankgesellschaft zur UBS fusionierte). Syz hängte in seinen Wanderjahren auch ein vierjähriges Intermezzo beim amerikanischen Broker Paine Webber an, der im Jahr 2000 ebenfalls in den Fängen des inzwischen zum CEO der UBS aufgestiegenen Ospel landete. Bei der Genfer Privatbank Lombard Odier gingen die Wanderjahre des jungen Syz zu Ende. Nur wenige Jahre später startete er seine eigene Bank – eine „unternehmerisch geführte Boutique-Bank“. Die Idee dafür habe er von der Guyerzeller-Bank mitgenommen, sagt Syz.

Er habe seinen Beruf nicht auf der Universität, sondern in den Handelsräumen und Kundenberatungszimmern von Banken mit unterschiedlichen Kulturen aus verschiedenen Ländern erlernt, erzählt er stolz. Es sei für ihn inakzeptabel, dass sich an der Spitze einer großen Bank wie der Credit Suisse über viele Jahre hinweg Juristen oder Unternehmensberater ohne einschlägige Kenntnisse des Bankwesens hätten ausbreiten können.

Seismologisches Gespür

Wer das Metier des Bankiers von Grund auf erlerne, erhalte auch ein Gespür für seismologische Bewegungen, die sich oft lange vor dem großen Beben in feinen Wellen ankündigen. Syz plädiert deshalb auch für viel praktische Erfahrung und praktische Fachkompetenz im Verwaltungsrat der Finanzmarktaufsicht.

Der Genfer ist bei weitem nicht der Einzige in seiner Branche, der die Meinung vertritt, die Finma hätte bei der Credit Suisse früher und stärker intervenieren und eine bessere Besetzung der Führungspositionen erzwingen sollen. Doch bei aller Kritik an der Aufsichtsbehörde und den politischen Auswahlverfahren anerkennt auch Syz: Versagt hat die Credit Suisse selbst und insbesondere deren Führungspersonal. Darum dreht sich Alfred Escher im Grab um.

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