Letzte Chance für Ola Källenius
Mercedes-Benz
Letzte Chance für Källenius
Von Joachim Herr
Ola Källenius meidet den Begriff Luxus- strategie. Sein Plan ist nicht aufgegangen. Der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz hat nur noch eine Chance.
Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass Ola Källenius die für 2026 angepeilten Ziele verfehlen wird. Der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz wollte die Spitze des Automobilangebots verbreitern: Der Anteil des Topsegments am Absatz sollte bis 2026 um rund 60% steigen, das Kernsegment (Core) in der Mitte stabil bleiben und das Einstiegssegment (Entry) mit einem gestrafften Angebot um ein Viertel sinken. An der Côte d’Azur im Mai vor drei Jahren zeigte der Chef des Stuttgarter Autoherstellers eine Präsentation mit einem funkelnden Diamanten, der verglichen mit der Ausgangslage von 2019 auf die Spitze gedreht werden sollte.
Immerhin steigerte Mercedes-Benz den Absatzanteil des Topsegments mit S- und G-Klasse sowie Maybach und AMG bis 2021 von 11 auf 16%. Doch zuletzt waren es 14%. 2026 sollten es im günstigen Fall 20% sein. Auch wenn Källenius den Begriff Luxusstrategie meidet: Sein Plan ist nicht aufgegangen. Das zeigt sich nicht nur am gesunkenen Absatz der drei Segmente. Schwerer wiegt, dass die Rentabilität von Mercedes-Benz stark nachgelassen hat.
BMW zieht vorbei
Vor drei Jahren hatte der CEO in einer Phase glänzender Renditen das Ziel ausgerufen, mit dem Verschieben des Wachstumsschwerpunkts zum Top-End-Segment die Profitabilität strukturell zu erhöhen. Die Margen sollten weniger schwanken. Weit gefehlt! Seit dem Höhepunkt auf 14,6% im Jahr 2022 ist die operative Umsatzrendite der Pkw-Sparte auf zuletzt 5,1% gestürzt. BMW ist erstmals seit längerem wieder an Mercedes-Benz vorbeigezogen.
Das ist ein Indiz dafür, dass BMW die weltweite Nachfrageschwäche, den Wandel zur Elektromobilität und Belastungen wie die Importzölle der USA besser bewältigt. Das vor drei Jahren gesteckte Renditeziel hat Källenius gestrichen, und das Unternehmen verringert seine Produktionskapazitäten um ein Zehntel bis ein Fünftel. Um die Kosten zu senken, gibt es sogar Überlegungen, Verbrennungsmotoren vom Münchner Erzrivalen zu kaufen.
Flop in China
Källenius wiederholt stets, Mercedes-Benz sei nach wie vor der größte Anbieter im – allerdings deutlich geschrumpften – Top-End-Segment. Dieses bleibe wie eh und je Heimat des Autoherstellers. Doch gerade im oberen Segment kamen die ersten Elektromodelle im Markt schlecht an. In China entpuppte sich der EQS mit seinem nach hinten abgeflachten Dach als Flop. Im Core-Segment enttäuschte der EQC. Anfang September wird das vollelektrische SUV GLC auf der IAA präsentiert. Auf ihm ruhen große Hoffnungen von Källenius – ebenso auf dem CLA im Einstiegssegment.
In der ersten Jahreshälfte machten die batterieelektrischen Autos (BEVs) gerade einmal 8,4% des Absatzes aus – verglichen mit den Wettbewerbern liegt Mercedes-Benz weit zurück. BMW kam auf gut 18%. Ohne ein überzeugendes E-Auto-Angebot wird Mercedes-Benz gerade in China, dem größten Automarkt der Welt, weiter zurückfallen.
Dort verschärft sich ohnehin die Lage der Premiumhersteller: Die Preisgrenze für die Luxussteuer senkte China auf rund 110.000 Euro.
Die Produktoffensive muss zünden
Die Marktschwäche, aber auch Fehler in der Modellpolitik und falsche Einschätzungen des Marktes spiegeln sich im Aktienkurs wider. Källenius steht seit Mai 2019 an der Konzernspitze. Seitdem ist der Aktienkurs gerade einmal um etwa 30% gestiegen. Derzeit notiert er leicht über dem Stand von Ende 2024. Auch an der Börse schneidet BMW besser ab. Immerhin bekamen die Aktionäre mit der Abspaltung und den Aktien von Daimler Truck Ende 2021 ein Trostpflaster. Die Trennung in zwei Konzerne war eine gute Entscheidung von Källenius. Auf seiner Habenseite steht auch die weiter verbesserte Liquiditätslage.
Noch hält der Aufsichtsrat zu Källenius und seiner Strategie. Nach der Durststrecke soll die größte Produktoffensive des Unternehmens mit zahlreichen Neuheiten von 2027 an wieder Wachstum und zweistellige Margen bringen. Wenn auch dieser Plan nicht zündet, gäbe es keine Argumente mehr für Källenius als Vorstandschef.