Akademischer Gruß vom Feinsten
Notiert in Schanghai
Akademischer Gruß vom Feinsten
Von Norbert Hellmann
In China beginnt das neue akademische Jahr. Von einer renommierten Universität angenommen zu werden, ist wohl für jedermann ein feierlicher Moment. Das Dekorum in der westlichen Welt bleibt jedoch überschaubar, man bekommt halt einen brieflichen Bescheid. In China ist der Gang zur Uni ein großes Zeremoniell. Voran ging das jahrelange Dauertrainingslager mit allen Entbehrungen und schulischem Mega-Fleiß, um beim Gaokao, dem knallharten nationalen Ausleseverfahren für Unizugang, mitzuhalten. Donn folgt die Erlösung und das Ticket zum stärker selbst bestimmten Campus-Leben, dem junge Chinesen so inbrünstig entgegenfiebern.
Prestige-Wettbewerb
Besondere Feierlichkeit ist angesagt. Die Universitäten im Reich der Mitte bescheiden sich nicht mit einem Bescheid, sondern machen daraus ein Happening. Es läuft ein wahnwitziger Prestige-Wettbewerb, um mit dem fantasievollsten Eintrittsgruß aufzutrumpfen. Die Auserwählten sollen spüren, wie hochwillkommen sie sind und was ein inspirierendes Exzellenzcluster sie nun erwartet. Der offizielle Zulassungsbrief wird zum Überraschungspaket mit höchsten ornamentalen Ansprüchen und kreativer Fantasie, das den besonderen Charakter der Uni zelebriert.
Reise ins Weltall
Ein paar Beispiele gefällig? Das Harbin Institute of Technology (HIT) ist der Raumfahrt eng verbunden. Das diesjährige Thema heißt: „Träume setzen Segel für die Reise ins Universum“. Der Akzeptanzbrief ist eingraviert auf einem ultrahitzebeständigen, leichtgewichtigen und abnutzungsresistenten Komposit-Material, das Chinas Raumfahrtsonden umhüllt. Die Jungakademiker dürfen einen QR-Code scannen, um ihren Namen mitsamt einer Traumbotschaft auf ebendieses Material eingravieren zu lassen. Die Täfelchen machen sich mit dem nächsten von HIT aus verschickten Satelliten dann prompt auf den Weg ins Weltall.
Fudan weiß zu glänzen
Schanghais Fudan Universität feiert 120-jähriges Bestehen und will besonders glänzen. Das in Seide gehüllte Präsent ist von traditionellen chinesischen Schublädchen inspiriert und wird mit einem kunstvollen speziellen Schiebemechanismus geöffnet. Oben der Willkommensbrief auf historischem Büttenpapier, in der Etage darunter gepresste Edelteeblöcke und der Vorstoß in die Moderne mit einer NFC-Chipkarte. Darauf lassen sich Funktionen für den Campus-Gebrauch aufspielen. Hält man sein Smartphone dran, wird eine dem Kästchen beigefügte Tafel mit der Abbildung des historischen Prunkgebäudes der altehrwürdigen Fudan Universität illuminiert.
Antarktiswasser als Juwel
Beim Willkommensgruß der Ocean University of China in Qingdao geht es wässriger zu. Die Geschenkbox enthält eine Schmuckkette mit tropfenförmigen Anhänger, der Original-Meerwasser aus der Antarktis höchst ästhetisch einschließt. Dieses Präsent macht im Netz besonderen Eindruck und scheint gar kommerzielle Instinkte der angehenden Marinebiologen zu wecken. Einige veräußern das Tropfenjuwel bereits auf Ebay-ähnlichen Plattformen zu Preisen von bis zu 5000 Yuan (600 Euro).