LeitartikelUS-Kreditkartenmarkt

Amerikas Banken stehen vor dem nächsten Fiasko

Die faulen Eier in den Kreditkartenkörben der US-Banken sind nicht nur zahlreich, sondern auch ungleich verteilt. Die Bemühungen von Goldman Sachs, ihre Kartenpartnerschaften mit Apple und GM loszuwerden, verdeutlichen dieses unterschätzte Problem.

Amerikas Banken stehen vor dem nächsten Fiasko

US-Kreditkarten

Neues Bank-Fiasko mit Ansage

Von Alex Wehnert

Der Kreditkartenmarkt droht zum Ursprung der nächsten Turbulenzen im US-Bankensektor zu werden. Denn der Anteil der Zahlungsverzüge und die Abschreibungsraten in dem Segment ziehen in einem Umfeld, in dem die US-Wirtschaft zwar schneller wächst als erhofft, die Verbraucher angesichts aufgebrauchter Ersparnisse und anhaltend hoher Preise im Basiskonsum aber am Limit sind, kräftig an. Die ausstellenden Banken, die sich infolge der geldpolitischen Wende der Federal Reserve zugleich auf niedrigere Einnahmen aus dem Zins- und Kreditgeschäft einstellen müssen, zeigen sich im Kartenmarkt allerdings seltsam sorglos.

Salden schießen auf historische Niveaus

Im dritten Quartal geben per saldo nur noch 20% der von der Federal Reserve befragten Banken an, ihre Vergabestandards im Segment verschärft zu haben – dies bedeutet einen Rückgang von 16,4 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr und eine Fortsetzung des Trends aus den ersten Jahresvierteln. Die US-Kreditkartensalden schießen damit weiter auf historisch beispiellose Niveaus jenseits der Marke von 1 Bill. Dollar. Heißt: Nicht nur der Anteil der faulen Kredite in Amerikas Bankbilanzen nimmt zu, auch die absoluten Volumina explodieren – ein Fiasko mit Ansage.

Dass dabei ein zusätzliches folgenschweres Problem besteht, machen auch die Versuche von Goldman Sachs, ihre Kartenpartnerschaften mit Apple und General Motors loszuwerden, deutlich. Denn im Markt bestehen nicht nur große Ausfallrisiken, diese sind auch sehr ungleich verteilt – was die Abschätzung von Risiken für Bankinvestoren erschwert. Bei Konten, die Goldman nach der Übernahme der GM-Kooperation 2020 lancierte und die wohl ein Drittel des Portfolios ausmachen, liegt die durchschnittliche Abschreibungsquote angeblich bei über 10% – das landesweite Mittel belief sich laut der Fed zuletzt auf bereits hohe 4,49%.

Schuldner mit niedriger Bonität

Die schwache Rückzahlungsaktivität dürfte auf die Ausgestaltung des Goldman-Programms zurückzuführen sein. Die GM-Karten richten sich meist an Leasingkunden und Autokäufer des Detroiter Konzerns, die darüber Punkte sammeln und diese für Ratenzahlungen oder Serviceleistungen einlösen können. Vermögende Nutzer lassen sich damit aber kaum hinter dem Ofen hervorlocken, bei diesen sind Flugmeilenangebote deutlich beliebter. Dies machte es für Goldman schwieriger, die GM-Karten zu vermarkten, weshalb die Bank für die Kundenakquise auf Drittparteien-Webseiten zurückgreifen musste und Kreditnehmer mit niedrigeren Bonitätsscores anzog.

Die offenen Salden in dem Programm belaufen sich auf rund 2 Mrd. Dollar. Goldman verhandelt laut dem „Wall Street Journal“ seit April mit Barclays über einen Verkauf der GM-Kooperation, die Zahlungsbereitschaft der Briten soll sich nachvollziehbarerweise aber in engen Grenzen halten. Die Veräußerung der Apple-Partnerschaft wird für Goldman aufgrund der offenen Salden im Volumen von 17 Mrd. Dollar noch zur ungleich größeren Herausforderung. Nicht nur sind in dem Programm Schuldner mit niedriger Bonität aktiv, es beinhaltet auch weitere Punkte, die für die ausstellende Bank kostspielig sind – zum Beispiel einen ungewöhnlichen Abrechnungszyklus, der Goldman wiederholt Probleme im Kundendienst und regulatorischen Druck einbrachte.

Striktere Standards nötig

J.P. Morgan, die Interesse an einer engeren Verbindung zu Apple hat und mit dem Tech-Riesen wohl seit Monaten über eine Übernahme des Kartenprogramms verhandelt, will deshalb angeblich weniger als den Nennwert der offenen Salden zahlen und fordert weitere Zugeständnisse. Daran tut das führende US-Geldhaus nur gut – und auch anderen Branchenvertretern ist zu raten, gegenüber Partnern und Kunden deutlich restriktiver aufzutreten. Goldman wäre für einen baldigen Abschied aus ihren Programmen indes nur zu beglückwünschen, selbst wenn dieser Gewinnbelastungen mit sich bringt. Denn trotz geldpolitischer Wende ist nicht damit zu rechnen, dass finanziell notleidende Verbraucher so schnell ein Liquiditätsschub erreicht. Und Amerikas Banken können sich von annualisierten Kreditkartenzinsen von derzeit 20% und mehr eben wenig kaufen, wenn Schuldner in noch größerem Umfang ausfallen.

Die faulen Eier in den Kreditkartenkörben der US-Banken sind ungleich verteilt – ein unterschätztes Problem.