Argentinien wird zum Neuland
Argentinien
Radikaler
Wandel
Von Andreas Fink
Mit einer überraschend großen Mehrheit haben sich die Bürger im ausgezehrten Argentinien für einen radikalen Wandel entschieden. Sie wählten den 53-Jährigen Ökonomen Javier Milei, der sich am Wahlabend als erster „liberal-libertärer Staatschef der Welt“ präsentierte. Es ist eine Reise in unerforschtes Gelände. Mileis Partei „la Libertad Avanza“ hat in ihrem Wahlprogramm radikale Reformideen vertreten. Aber nachdem die Gruppe nur 15% der Kongressmandate und 11% der Senatssitze besetzt, wird sie Ideen wie die Reduktion des Budgets um 15% des Bruttoinlandsprodukts oder das Schließen der Zentralbank mit Einführung des Dollar nicht durchsetzen können – denn alle anderen Kräfte sind dagegen. Milei hatte auch angekündigt, die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur verlassen zu wollen. Aber da scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen. In Uruguay und Paraguay regieren liberale Kräfte. Allein Brasilien hat eine linke Regierung, die jedoch, anders als bisher Argentiniens Peronisten, einen Freihandelsvertrag mit der EU will.
Milei dürfte Mehrheiten finden bei den ersten Stabilisierungsmaßnahmen wie der Privatisierung von Staatsbetrieben. Die drastische Reduktion im Staatsapparat – allen voran die Schließung von zehn der bislang 18 Ministerien – wird Milei hinbekommen. Aber Einsparungen, die höhere Kosten für die Bürger bedeuten, dürften schwierig werden. Argentinien drohen turbulente Tage, Wochen und Monate.
Schon am Dienstag werden viele Verbraucherpreise explodieren, weil Preisdeckel für Tausende Produkte enden. Milei hofft, dass die scheidende Regierung zumindest die überfällige Abwertung des Peso-Kurses übernimmt. In den kommenden Tagen muss die Regierung knapp 3 Mrd. Dollar an den IWF überweisen. Aber das wird nicht gehen, denn die Devisenreserven sind negativ, um mehr als 10 Mrd. Dollar. Das IWF-Abkommen wird neu verhandelt werden müssen. Milei sagte zu, sämtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Das wird alles andere als leicht. Mehr als 20 Mrd. Dollar schuldet das Land für bereits getätigte Importe. Und vor der Ernte im April ist mit keinen großen Deviseneinnahmen zu rechnen. Und mit Zusatzeinkünften aus verstärkten Exporten wird erst in den kommenden Jahren zu rechnen sein.
Mit Protesten jedoch schon bald. Es besteht die Gefahr, dass die Polizei exzessive Härte zeigt und dass es Tote geben könnte. Hier wird Milei, bislang kaum für seine Kompromissbereitschaft bekannt, beweisen müssen, dass er kein Outsider mehr ist, sondern Präsident.