KommentarDeutscher Automarkt

Auf die Party folgt der Kater

Die deutschen Autobauer haben im ersten Halbjahr 13% mehr Fahrzeuge ausgeliefert. Von Feierlaune ist in der Branche derzeit aber wenig zu spüren.

Auf die Party folgt der Kater

Deutscher Automarkt

Auf die Party folgt der Kater

Von Sebastian Schmid

Die Auslieferungen im deutschen Automarkt sind im ersten Halbjahr um 13% auf 1,4 Millionen Fahrzeuge gestiegen. Im Juni betrug das Plus sogar 25%. Von Feierlaune ist in der Branche indes wenig zu spüren. Die Autohersteller bewerten ihre Geschäftsaussichten so negativ wie zuletzt zur Finanzkrise 2008. Der entsprechende Ifo-Indikator brach im Juni auf minus 56,9 Punkte ein, nach minus 10,3 Zählern im Mai.

Die pessimistische Einschätzung überrascht angesichts der Zahlen nur auf den ersten Blick. Tatsächlich lagen die Auslieferungen im Juni hierzulande um rund 14% unter dem Vorkrisenniveau vom Juni 2019. Derweil sorgen eine deutlich entspanntere Liefersituation im Halbleitermarkt und nach wie vor sehr hohe Auftragsbestände dafür, dass die Absatzzahlen in den kommenden Monaten zunächst weiter anziehen dürften. Doch egal wie rauschend die Party bis Jahresende auch ausfallen mag – der anschließende Kater scheint gewiss.

Denn der Auftragseingang zeigt längst Bremsspuren. Der lag zuletzt um 20% unter Vorjahresniveau. Angesichts pessimistischer Konjunkturerwartungen, hoher Inflation, angehobener Neuwagenpreise und unattraktiver Finanzierungskonditionen stellt sich nicht die Frage, wann der Trend gestoppt werden dürfte, sondern nur, wie weit es hier noch nach unten gehen kann. Das dürfte auch die Frage sein, die Branchenvertreter aktuell um den Schlaf bringt. Auf der Privatkundenseite schwächelt der Absatz bereits, während das Flottengeschäft brummt. Aber auch hier nähert sich der Boom dem Ende. Ab September 2023 gibt es keine Förderung mehr für gewerbliche E-Auto-Käufer. In anderen Ländern sorgte das Auslaufen der Förderung stets für einen zumindest temporären Nachfrageeinbruch. Und hierzulande hat sich das für Plug-in-Hybride bereits ebenfalls bewahrheitet.

Die Elektrifizierungsstrategien der Autobauer stehen aber auch so auf dem Prüfstand. Im Juni hat der E-Auto-Absatz zwar um 64% angezogen. Allerdings gehen die Lieferzeiten vieler Modelle deutlich zurück und Autobauer berichten von einer nachlassenden Nachfrage für ihre Stromer. Vor diesem Hintergrund ist die Hochpreisstrategie der deutschen Marken mehr denn je in Frage gestellt. Platzhirsch Tesla hat mit Preissenkungen dieses Jahr Marktanteile gegen die Herausforderer gewonnen. Und auch Stellantis steuert mit Autos wie dem kompakten SUV Fiat 600e preisbewusste E-Auto-Käufer an. Nur die deutschen Anbieter halten bislang unbeirrt an ihrer Premiumstrategie fest. Der Druck, in den Preiskampf einzusteigen, dürfte bald steigen.