Notiert in BerlinEuropas Subventionspolitik

Auf wirrem Wettbewerbskurs

Die europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act in den USA wird in Brüssel diskutiert. In Berlin sucht der Wirtschaftsausschuss nach einem klaren Kurs in Richtung Wettbewerbsfähigkeit. Nach einer Expertenanhörung bleiben mehr Fragen als Antworten.

Auf wirrem Wettbewerbskurs

Notiert in Berlin

Auf wirrem Wettbewerbskurs

Von Angela Wefers

Die Opposition im Bundestag erstreckt sich über ein weites politisches Meinungsfeld. Und so kommt es, dass der Wirtschaftsausschuss des Bundestags am Mittwoch – weitgehend unbeachtet – Experten zu zwei Anträgen zu genau demselben Thema, aber mit völlig unterschiedlicher Stoßrichtung anhörte. Es ging um Reaktionen Europas auf den US-Inflation-Reduction-Act (IRA), also die EU-Pläne zur Unterstützung grüner Investitionen. Die Anträge stammten von CDU/CSU und von der Linken. Beide eint die Sorge, deutsche Unternehmen könnten wegen der finanziellen Anreize im IRA in die USA abwandern – und dort investieren anstatt im heimischen Europa.

Die Lösung sieht für die beiden Oppositionsfraktionen komplett unterschiedlich aus. Die Union setzt auf internationale Partnerschaft mit den USA, will handelspolitisch Spannungen abbauen und damit einen Subventionswettlauf verhindern. Sie fordert Gleichbehandlung europäischer Unternehmen. Vor allem aber will sie Innovation und Investitionen in Europa durch marktwirtschaftliche Instrumente anreizen. Hierzulande soll ein international wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem die Lage verbessern oder auch eine Fachkräfteoffensive.

Der Linken geht dagegen die Antwort der EU nicht weit genug. Die Fraktion fordert ein „historisches Investitionsprogramm“ von 120 Mrd. Euro allein für Deutschland. Subventionen für Unternehmen geben aus Sicht der Linken der Gesellschaft das Recht, Mitsprache zur fordern und gemeinwohlorientierte Bedingungen zu setzen: für Klimaschutz, Beschäftigung und gute Arbeit. Auch Staatsbeteiligungen zum sozial-ökologischen Umbau und zur Durchsetzung „neuer Formen der Wirtschaftsdemokratie“ sind für die Linke kein Tabu.

Wer nun Orientierung durch die Experten erwartet hatte, sah sich im Bundestag mit einem ebenso breiten Spektrum konfrontiert. Sieben Sachverständige hörte der Wirtschaftsausschuss an. Die Industrie nahm der Politik erst einmal Wind aus den Segeln: Interesse an Investitionen in den USA habe es schon vor dem IRA gegeben, stellte BDI-Außenwirtschaftsexperte Matthias Krämer fest. Dieser hatte schon im Februar die beispielhafte Weise gelobt, wie die USA klima-, handels- und industriepolitische Aspekte zusammenführt: unbürokratisch, konsistent, zukunftsorientiert. Darauf dringt der BDI auch in der EU, nicht auf mehr Geld.

Zu Zurückhaltung bei Subventionen mahnten immerhin drei Experten: vom Ifo-Institut, vom Institut für Weltwirtschaft Kiel und der Ökonom Ulrich van Suntum aus Münster. Die Londoner Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato bekennt sich zur Marktsteuerung. Thomas Krebs von der Uni Mannheim, der den heutigen Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Zeit als Finanzminister beriet, setzt auf die Unterstützung von Menschen und Unternehmen, anstatt den CO2-Preis in den Mittelpunkt zu stellen. Dass die Chefvolkswirtin des staatlichen Förderinstitutes KfW, Fritzi Köhler-Geib, kein Problem in Fördermitteln sieht, wird indessen kaum überraschen. Das heterogene Meinungsspektrum folgt aus der Einladungspolitik der Ausschüsse bei Anhörungen: Die Fraktionen dürfen gemäß ihrer Stärke im Bundestag die Sachverständigen benennen. Es zeigt aber auch den immer noch großen Diskussionsbedarf in Sachen Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

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