KommentarAusländische Investitionen

Ausländische Investitionen in Deutschland auf Zehnjahrestief

Bei ausländischen Investitionen bleibt Frankreich laut einer EY-Studie der Spitzenreiter in Europa. Doch gibt es Hoffnung für Deutschland. Die Mehrheit der Manager sieht den hiesigen Standort 2023 erneut unter den Top drei in Europa.

Ausländische Investitionen in Deutschland auf Zehnjahrestief

Investitionsvorhaben

Hoffnung für Deutschland

Von Christoph Ruhkamp

Der Unternehmensberatung EY zufolge ist die Zahl ausländischer Investitionsvorhaben in Deutschland 2022 erneut gesunken und dadurch auf den niedrigsten Stand seit 2013 gefallen. Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt Frankreich, und Großbritannien belegt den zweiten Platz. Internationale Investoren haben ihr Engagement in Deutschland der im Februar durchgeführten Befragung von mehr als 500 Entscheidungsträgern bei international tätigen Unternehmen zufolge zum fünften Mal in Folge reduziert. Es wurden nur Investitionsprojekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führen, nicht jedoch reine Eigentümerwechsel bei Verkäufen oder M&A-Deals.

Das Ergebnis klingt für die Gegenwart düster. Doch gibt es Grund zur Hoffnung: Deutschland liegt auf dem dritten Platz immerhin noch vor den derzeitigen Aufsteigerländern Spanien, Türkei und Portugal, die von der Verlagerungsdynamik sowie der Regionalisierung der Lieferketten und relativ niedrigen Kosten profitieren. Zudem war 2022 gemessen an den ausländischen Investitionen in Europa das beste Jahr seit Beginn der Corona-Pandemie – und der hiesige Standort gewinnt wieder an Attraktivität. Der Anteil der Manager, die Deutschland 2023 trotz der hohen Energiepreise und der zögerlichen Digitalisierung als einen von drei Top-Standorten in Europa bezeichnen, ist im Vergleich zur Vorjahresbefragung von 42% auf 62% gestiegen. Die Chinesen bleiben zwar weg, dafür kommen aber Amerikaner, Türken und Engländer.

Totgesagte leben länger. Die Bilanzen deutscher Unternehmen sehen stark aus. Offenbar ist die befürchtete Deindustrialisierung bisher ausgeblieben. Die Corona-Pandemie und der Konflikt mit China und Russland haben dazu geführt, dass europäische Unternehmen einen Teil ihrer Produktion zurückholen und wieder in befreundeten Ländern wie Deutschland ansiedeln. Außerdem ist die befürchtete Energiekrise hierzulande bisher ausgeblieben. Das Erdgas, das im Cracker von BASF in Ludwigshafen sowie in den Kraftwerken von Uniper oder in den privaten Heizungskellern benötigt wird, kommt jetzt nicht mehr per Pipeline aus Russland, sondern mit dem LNG-Tanker aus Katar. Das ist zwar fast doppelt so teuer, aber das Gas kommt verlässlich. Offenbar handelt es sich beim Zehnjahrestief der ausländischen Investitionen in Deutschland um eine kurze verlorene Periode von weniger als zwei Jahren, die in erster Linie durch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges verursacht wird und von der sich das Vertrauen der Unternehmen langsam erholt.

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