KommentarNachhaltigkeit

BaFin bekennt sich zum Zeitgeist

Mit ihrer ESG-Strategie greift die BaFin gesellschaftliche Ziele auf. Ihr Mandat überzieht sie damit aber nicht.

BaFin bekennt sich zum Zeitgeist

Finanzaufsicht

Bekenntnis
zum Zeitgeist

Von Jan Schrader

Mit ihrer ESG-Strategie greift die BaFin gesellschaftliche Ziele auf. Ihr Mandat überzieht sie damit aber nicht.

Spricht hier ein Aufseher oder ein Politiker? „Auch jetzt müssen wir einen Strukturwandel bewältigen“, sagt dieser jemand. „Einen Strukturwandel von einer CO2-intensiven Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft, die deutlich weniger CO2 verbraucht, zu einer Wirtschaft, die deutlich nachhaltiger ist.“ Diese Worte stammen nicht etwa von einem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck oder einer Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer, sondern von Mark Branson, hauptberuflich immerhin Präsident der deutschen Finanzaufsicht BaFin. „Wir als Aufsicht machen keine Umweltpolitik“, sagt er auch. Das stimmt nur teilweise.

Eine Finanzaufsicht agiert nicht jenseits von Gesellschaft und Zeitgeist, sondern ist – wie jeder Mensch – davon geprägt. Bransons Worte zeigen, dass die Gefahr des Klimawandels und der Ruf nach einer Lebensweise ohne Treibhausgasemissionen weithin anerkannt sind. In diesem Sinne ist die Aufsicht politisch: Sie gibt sich eine Sustainable-Finance-Strategie und schärft somit die Aufmerksamkeit. Das gilt übrigens nicht nur für den Klimawandel, sondern potenziell auch für viele andere gesellschaftliche und ethische Ziele aus dem Kosmos der Nachhaltigkeit.

Zwar gehen mit dem deutlichen Akzent Risiken einher: Denkbar ist etwa, dass ein Fokus auf Klimafolgen im Risikomanagement die Aufmerksamkeit für andere Gefahren schmälert oder dass die regulatorisch gewollte Ansprache zur Nachhaltigkeit im Finanzvertrieb viele Sparerinnen und Sparer in besonders nachhaltige Finanzprodukte treibt und eine Überbewertung bestimmter Unternehmen nach sich zieht. Auch ist die Erhebung von Daten aufwendig. Doch grosso modo ist ein Bewusstsein für Verantwortung im Wirtschaftsleben willkommen. Das alte Bild des ehrbaren Kaufmanns erlebt eine neue Interpretation. Es gibt keinen Konsens dazu, was genau damit gemeint ist, aber die Debatte ist fruchtbar. Wir sind als Menschen für unser Tun verantwortlich – dieses Bewusstsein gehört auch ins Wirtschaftsleben.

Die BaFin ist klug genug, die Grenzen ihres Mandats klar zu benennen: Sie will Nachhaltigkeitsrisiken nicht als eigenständige Kategorie verstanden wissen, sondern im Rahmen bewährter Methoden taxieren. Sie deutet Datentransparenz und eine klare Kommunikation als Instrumente des Anlegerschutzes. Und sie macht erneut deutlich, dass sie keine politisch motivierten Gewichte in den Eigenkapitalvorgaben wünscht. All das ist richtig und wichtig. Nur sollte niemand so tun, als sei die Aufsicht frei von Zeitgeist und Politik. Das ist sie nie.

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