Im BlickfeldViele Streitfälle

Beschwerdeflut gegen Kreditwirtschaft

Weil viele Privatleute im Zahlungsverkehr auf Kriminelle hereinfallen, haben die Ombudsleute der Banken und Sparkassen viel zu tun. Oft können sie den Kunden nicht helfen.

Beschwerdeflut gegen Kreditwirtschaft

Betrug löst Beschwerdeflut gegen Kreditwirtschaft aus

Weil viele Privatleute im Zahlungsverkehr auf Kriminelle hereinfallen, haben die Ombudsleute der Banken und Sparkassen viel zu tun. Häufig stützen sie die Position der Geldhäuser.

Von Jan Schrader, Frankfurt

Deutschlands Banken und Sparkassen liegen häufig wegen Zahlungsbetrug mit ihren privaten Kunden über Kreuz. Während es allmählich weniger Beschwerden zu bislang typischen Streitfällen wie zur Kontoführung oder zu uralten Prämiensparverträgen gibt, melden die Ombudsleute der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der privaten Banken und der Finanzaufsicht BaFin in ihren Tätigkeitsberichten unisono eine hohe Zahl an Betrugsfällen. Kunden fordern vielfach Geld von den Instituten zurück.

Einen „deutlichen Anstieg von Schlichtungsanträgen zu Online-Banking-Schadensfällen“ erkennt Jana Hähnel, Leiterin der Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). „Auffallend häufig“, so schreiben die Ombudsleute beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), „haben Bankkunden vorgetragen, dass Trickbetrüger sich der persönlichen Zugangsdaten bemächtigten und missbräuchliche Verfügungen über erhebliche Beträge vornahmen.“

Oft fallen Kunden auch auf eine falsche Zahlungsaufforderung herein, wie die Schlichter des Bundesverbands deutscher Banken für die privaten Institute festhalten. „Vermehrt verlangten die Antragsteller die Rückerstattung von Zahlungen, die sie aufgrund von betrügerischen Handlungen selbst veranlasst und autorisiert hatten.“ Die Schlichter der BaFin sehen „zahlreiche Betrugsfälle“, die sich aus der Digitalisierung ergäben.

Kunden gehen leer aus

Die Arbeit der Ombudsleute hat einen hohen Wert: Eine Schlichtung ist eine Alternative zu einem Gerichtsprozess, der aufwendig ist und lange dauern kann. Die Schlichter – Schlichterinnen sind selten – haben sich zuvor im Richteramt, in Justizministerien oder an einer Universität bewährt. Sie genießen damit Autorität, auch wenn ihre Vorschläge formal unverbindlich sind. Typische Streitfälle schildern sie im Detail und liefern damit eine Orientierung. Doch in Betrugsfällen können sie oft wenig für die Kundschaft tun.

Denn wenn Privatleute auf Betrüger hereinfallen und ihnen Geld überweisen, haben die Betroffenen wenig gegen die Bank in der Hand. „Die Antragsteller haben oft falsche Vorstellungen, welche Rolle einer Bank als Geschäftspartner eines Zahlungsdienstevertrags gegenüber dem Kunden zukommt“, schreiben die BVR-Schlichter. „Im Fall einer Autorisierung einer Zahlungsdienstleistung durch den Kunden obliegt es der Bank, den jeweiligen Zahlungsauftrag zu erfüllen.“

Ebay ist nicht immer Ebay

Die Schlichter der Sparkassen beschreiben eine häufige Betrugsmasche: Phishing beim Verkauf über Online-Kleinanzeigenmärkte. Betrüger senden dabei ihren Opfern einen Link zur vermeintlich schnellen Zahlungsabwicklung zu, wo die Betroffenen ihre Daten hinterlegen. Danach wird das Konto geplündert. „Täuschend echt“ sehen die Seiten laut Bericht aus.

Gleichwohl werden die Sparkassen-Schlichter in einem Fallbeispiel deutlich: „Grob fahrlässig“ habe eine Kundin gehandelt, als sie über eine falsche Funktion „Ebay Sofortbezahlen“ ihre Daten eingab. Die Kundin forderte 2.302 Euro von der Sparkasse, die wiederum ablehnte. Zu Recht, wie die Schlichter meinen. Auch die Ombudsleute der privaten Banken urteilen in einem anderen Fall ähnlich.

Anderer Fall ist das Ausspähen der PIN

Anders sieht es aus, wenn Betrüger am Geldautomaten eine Person bei der PIN-Eingabe ausspähen, anschließend die Karte stehlen und Geld abheben. Hier empfahlen die Schlichter der Kreditgenossen einem Institut, den Betrag zu erstatten. Allem Anschein nach handelte die betroffene Kundin nicht grob fahrlässig, wie im Tätigkeitsbericht zu lesen ist.

Die Betrugsfälle prägen die Statistik: Im Zahlungsverkehr, wo die Fälle vermerkt werden, stieg die Zahl der Anträge allein gegen Sparkassen im Jahresvergleich von 161 auf 956. Im Lager der Kreditgenossen kletterte die Zahl von 112 auf 272.

Postbank-Debakel prägt

Nicht immer aber ist Betrug im Spiel. Die Ombudsleute der privaten Banken kämpften offenbar mit etlichen Anträgen gegen die Postbank, die mit technischen Pannen viele Kunden verärgerte. Zwar erwähnen die Schlichter das Institut nirgends namentlich, doch führte die missglückte IT-Umstellung der Bank bekanntlich auch bei BaFin und Verbraucherzentralen zu vielen Beschwerden.

9.336 Fälle zählt die Schlichtungsstelle der privaten Banken allein im Zahlungsverkehr, was etwa drei Viertel aller Anträge im zurückliegenden Jahr entspricht. Auch das Spargeschäft sticht mit 1.072 Beschwerden heraus. „Hintergrund der hohen Fallzahlen waren gehäuft Probleme beim Onlinebanking/Kontozugang oder Verzögerungen bei der Ausführung von Kundenaufträgen“, schreiben die Schlichter. „Vielfach wurden die geschilderten Probleme jedoch bereits im Verlauf des Schlichtungsverfahrens gelöst.“

Sparkassen und Genossenschaftsbanken kämpfen derweil mit alten Streitfällen, auch wenn die Zahl der Anträge insgesamt zurückgeht. So fordern viele Kunden Geld zurück, wenn das Kreditinstitut in früheren Jahren die Gebühren für das Konto erhöht hat, ohne die ausdrückliche Zustimmung des Kunden einzuholen – eine Praxis, die der Bundesgerichtshof bekanntlich mit seinem AGB-Urteil im April 2021 kippte. Die Frage der Verjährung der Ansprüche, also wie weit in die Vergangenheit hinein Kunden zu viel gezahlte Gebühren zurückfordern können, sei noch nicht geklärt, schreiben die Schlichter der Kreditgenossen. Viele Geldhäuser versäumten es aber, sich im Streitfall auf Verjährung zu berufen (Einrede der Verjährung).

Mehrfach setzte der Bundesgerichtshof mit einem Urteil eine Beschwerdewelle in Gang, ehe die Zahl der Anträge wieder abebbte. So gingen 2014 allein bei den Schlichtern der privaten Banken rund 108.600 Anträge ein, nachdem Karlsruhe Kreditbearbeitungsgebühren für unrechtmäßig erklärt hatte. Das AGB-Urteil führte erneut zu vielen Anträgen, und auch Urteile rund um uralte Sparverträge hielten die Schlichter lange auf Trab.

Sparkassen-Schlichter erwarten künftig weniger Betrug

Die Ombudsleute der Sparkassen zeigen sich optimistisch, dass die Anträge zu Betrugsfällen bereits in diesem Jahr nachlassen. Die Finanzgruppe investiere in Technologie zur Betrugserkennung, gleichzeitig warnten die Sparkassen vor den neusten Maschen, hält Leiterin Hähnel fest. „Je höher die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung, desto wenigen Chancen haben betrügende Personen, an die notwendigen Daten zu gelangen.“ Und umso weniger gibt es hoffentlich für die Schlichter zu tun.

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