LeitartikelIndustriestrompreis

Brückenstrompreis mindert grüne Anreize

Die US-Regierung lockt mit Hunderten Milliarden für die grüne Wende neue Unternehmen ins Land. Deutschland hingegen droht nun mit einem Industriestrompreis eine Dauersubvention für fossil ausgerichtete Konzerne zu schaffen.

Brückenstrompreis mindert grüne Anreize

Brückenstrompreis

Besser wären grüne Subventionen

Von Christoph Ruhkamp

Die US-Regierung subventioniert die grüne Wende, Deutschland hingegen will fossil ausgerichtete Konzerne stützen.

Mit einem aus Staatsgeld gedeckelten Strompreis droht eine neue Dauersubvention für die energieintensive Industrie – auch wenn das Vorhaben beschönigend als "Brückenstrompreis" bezeichnet wird. Schon sind die 16 Regierungschefs der Bundesländer in seltener Einigkeit nach Brüssel gereist, um Druck zu machen – sowohl für einen Industriestrompreis als auch für die Absenkung der Stromsteuer. Dasselbe wollen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die SPD-Fraktion sowie Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, und viele Wirtschaftsverbände. Habeck hatte sich im Mai erstmals für einen subventionierten Strompreis ausgesprochen und erklärt, die Bundesregierung werde 25 Mrd. bis 30 Mrd. Euro ausgeben, um sicherzustellen, dass industrielle Großverbraucher bis 2030 nicht mehr als 6 Cent pro Kilowattstunde für Strom zahlen müssen. Der Spotmarktpreis liegt derzeit bei 9 Cent.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und der neue EU-Green-Deal-Chef Maros Sefcovic dagegen verteidigen das Level Playing Field. Der Kanzler hält sich nach Kräften raus, und die FDP-Fraktion samt Finanzminister Christian Lindner bekräftigt sogar ihre ablehnende Haltung. Doch der Druck aus der Wirtschaft wächst – vor allem von der "Allianz pro Brückenstrompreis" aus Verbänden und Gewerkschaften. Es geht um die Branchen Chemie, Metalle wie Kupfer und Aluminium, Stahl, Glas, Keramik, Zement und Papier. Zusammen vertreten sie 1,1 Millionen Beschäftigte in 8.000 Betrieben. Die Allianzmitglieder forderten die Bundesregierung auf, zügig einen zeitlich befristeten Brückenstrompreis zu beschließen, denn Investitionsentscheidungen stünden entweder unmittelbar bevor oder unterblieben. "Jede Woche später ist zu spät für viele Unternehmen." Die gesamte industrielle Wertschöpfungskette in Europa drohe nachhaltig Schaden zu nehmen. "Ohne einen Brückenstrompreis ab 1. Januar 2024" seien Arbeitsplätze und ganze Standorte bedroht. "Die deutsche Industrie sendet ein SOS", so Chemie-Cheflobbyist Markus Steilemann.

BASF investiert bereits 10 Mrd. Euro in neue petrochemische Fabriken in China. Auch die USA seien attraktiv, kündigt Konzernchef Martin Brudermüller an. Dort schaffe der Inflation Reduction Act einen "Business Case für die Transformaton". Laut dem Energiewende-Barometer des DIHK, für das 3.570 Firmen befragt wurden, plant oder realisiert fast ein Drittel der Industriebetriebe (32%) die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – ein Zuwachs von 16 Prozentpunkten, also eine Verdopplung, im Vergleich zum Vorjahr.  Für 52% der Unternehmen wirkt sich demnach die Energiewende negativ auf das eigene Geschäft aus – ein Rekordwert. Das russische Gas fehlt und die Atomkraft ist ebenfalls weggefallen. Der Ersatz braucht Zeit: Im Zuge der Energiewende werden 12.000 Kilometer an neuen Stromleitungen benötigt. Etwa 9.000 Kilometer, also drei Viertel davon, sind bislang noch nicht einmal genehmigt, geschweige denn im Bau.

In den USA hat Präsident Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act ein Gesetz verabschiedet, das Investitionen ins Land holt. Doch hier geht es um grüne Investitionen. Rund 370 Mrd. Dollar stehen dafür zur Verfügung. Viele internationale Konzerne haben ihre Investitionen deshalb neu überdacht. Doch mit einem Industriestrompreis würde Deutschland das Gegenteil tun: Der Industriestrompreis würde auf fossile Energien ausgerichtete Konzerne ein bisschen länger durchhalten lassen. Es würde umverteilt, ohne Innovationen zu fördern. Wo energieintensive Konzerne entlastet werden, steigen der Strompreis oder die Steuern für Privathaushalte und für Mittelständler. Wer gut vorgesorgt hat, konkurriert jetzt mit denen, die subventioniert werden. Damit schwindet der Anreiz zu Energieeffizienz.

Wenn schon subventioniert wird, dann sollte dies die grüne Transformation voranbringen. Ein Brückenstrompreis würde nichts dazu beitragen. Besser wäre es, mit dem Geld das Übertragungsnetz auszubauen und das Angebot an erneuerbaren Energien auszuweiten, um so den Strompreis indirekt über den Markt zu drücken. Schließlich ist es ohnehin das Ziel der Bundesregierung, dass vom Jahr 2030 an erneuerbare Energien 80% des Strombedarfs decken.

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