Im BlickfeldAutonome Fahrdienste

China-Tech wirft sich mit Robotaxis ins Getümmel

China strebt auch im Zukunftsfeld der Robotaxis nach technologischer Führerschaft. Heimische Anbieter für kommerzielle Fahrdienste stoßen jedoch auf Expansionshindernisse und schielen auf Auslandsmärkte.

China-Tech wirft sich mit Robotaxis ins Getümmel

China-Tech wirft sich mit Robotaxis ins Getümmel

China strebt auch im Zukunftsfeld der Robotaxis nach technologischer Führerschaft. Heimische Anbieter für kommerzielle Fahrdienste stoßen jedoch auf Expansionshindernisse und schielen auf Auslandsmärkte.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Fahrerlose Transportdienste sind in China Realität. Seit diesem Jahr lassen sich in Städten wie Peking, Shanghai oder Guangzhou kommerzielle Robotaxis buchen, in denen dann auch tatsächlich kein Sicherheitspersonal mehr sitzt, das bei Bedarf ins Lenkrad greift oder auf die Bremse tritt.

Für kontaktscheue Tech-Jünger mögen die Fahrten ein kleines Erlebnis sein, das zu Billigpreisen abgegriffen werden kann. Und es gibt Komfortdetails wie frei wählbare Musikberieselung. Die Begeisterung über das futuristische Fahrerlebnis hält sich dennoch in Grenzen.

Durchbruch 2025

Gegenwärtig stehen die Dienste nur in einigen verkehrsarmen Randgebieten und sowie Technologieparks zur Verfügung. Und man muss Geduld haben, denn es geht nur im sicherheitsbetonten Schneckentempo voran. Ungeachtet dessen wird 2025 als Jahr des Durchbruchs für die Robotaxi-Szene in China apostrophiert. Es reifen einige große Player heran, die mit hohem Kapitaleinsatz Plattformen für kommerzielle Dienste entwickeln.

Drei Namen stehen im Vordergrund. Die vom Tech-Riesen Baidu, dem chinesischen Pendant zu Google, aufgezogene Robotaxi-Dienst Apollo Go ist in zwölf chinesischen Städten mit einer Flotte von gegenwärtig 1.000 autonomen Taxis unterwegs; in der ersten Jahreshälfte wurden mehr zwei Millionen Fahrten absolviert. Apollo dicht auf den Fersen sind die an der US-Börse Nasdaq gelisteten chinesischen Startups Pony.ai und WeRide. Die beiden von vormaligen Baidu-Ingenieuren gegründeten Gesellschaften haben in diesem Jahr neue Lizenzen für Robofahrten in einigen Großstädten erhalten.

WeRide setzt auf Busse

Pony, die seit längerem autonome Fahrsysteme entwickelt, wähnt sich nun an der Schwelle zur einer Massenproduktion von eigens für Robozwecke entwickelten Fahrzeugen, und hat entsprechende Kooperationen mit Toyota und den staatlichen chinesischen Autobauern BAIC und GAC aufgezogen. Pony-Chairman James Peng will die hauseigene Roboflotte bis zum Jahresende von gegenwärtig 300 auf 1.000 Autos ausgebaut sehen. Auf ähnlichem Niveau will WeRide mit bislang 400 eingesetzten Wagen expandieren. Parallel dazu positioniert sich WeRide stark bei Robobussen für den Einsatz im urbanen Massentransport sowie auf Werksgeländen, an Flughäfen und im Tourismus.   

Gewaltiges Erlöspotenzial

Die technischen Voraussetzungen für den sicheren Einsatz von fahrerlosen Transportmitteln sind gegeben. Wird es den Anbietern jedoch gelingen, tragfähige Konzepte für kommerzielle Dienste auf die Beine zu stellen? Langfristig winkt ein gewaltiges Erlöspotenzial. Sowohl bei der Investmentbank Goldman Sachs, als auch beim Researchhaus MarketsandMarkets wird das globale Potenzial für den Robotaxi-Markt bis zum Jahr 2030 bei 45 bis 50 Mrd. Dollar taxiert. Das würde einem jährlichen Durchschnittswachstum von mehr als 90% entsprechen.

Goldman rechnet damit, dass bis 2030 in einem Dutzend chinesischer Großstädte etwa 500.000 Robotaxis fahren werden. HSBC wiederum geht davon aus, dass die autonomen Taxen einen Anteil von gut 6% am gesamten chinesischen Markt für Fahrdienste erreichen können.

Vorerst sieht es aber nach einer eher schleppenden Marktdurchdringung für das futuristische Fortbewegungsmittel in China aus mit seinen gut 200 Millionenstädten. Gegen eine rasche Verbreitung sprechen sozialpolitische Bedenken.

Was ist mit der Gig Economy?

Chinas Staatsführung hat größtes Interesse daran, dass heimische Tech-Firmen bei technologischen Entwicklung des autonomen Fahrens global ganz vorne mitspielen und geizt nicht an Förderungsinitiativen. In Sachen tatsächlicher Ausbreitung der neuen Dienste aber lassen Beschäftigungsaspekte die Wirtschaftsplaner zögerlich vorgehen. In Chinas gedrückter Konjunkturphase nimmt die sogenannte Gig Economy als Beschäftigungsfaktor eine wichtigere Rolle ein. Abermillionen junger Chinesen verdingen sich haupt- oder nebenberuflich als Fahrer für Uber-ähnliche Dienste.

An einer besonders raschen Verbreitung von Robotaxis, von der in erster Linie einige große Techfirmen profitieren werden, besteht auf lokalpolitischer Ebene keinerlei Interesse. Man sieht es daran, wo die Flotten von Apollo und anderen bislang zum Einsatz kommen. Während der US-Platzhirsch Waymo aus dem Hause Alphabet/Google in Städten wie Los Angeles und San Francisco ziemlich ungehindert herumkutschieren kann, werden den chinesischen Betreibern bislang nur urbane Randgebiete im eigenen Land zugewiesen. Die Betreiber bemühen sich aktiv um eine Erweiterung der genehmigten Einsatzzonen, kommen jedoch nur äußerst langsam voran.

Chancen in Nahost

Trotz des enormen heimischen Betätigungsfeldes müssen Apollo, Pony und WeRide ins Ausland schielen, um ihre Expansion voranzutreiben. Dort wollen sie sich mit US-Anbietern messen. Wie auch Waymo peilen sie wohlhabende Nahost-Staaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Pony hat den Auftrag, der aus dem Boden gestampften „Smart City“ Neom in Saudi Arabien, die geeignete Infrastruktur für autonomes Fahren mit Kleinbussen und Robotaxis angedeihen zu lassen. Apollo will bis zum Jahresende rund 100 Robotaxis in Dubai in den Dienst bringen und binnen drei Jahren auf über 1.000 gehen. Im Nachbar-Emirat Abu Dhabi ist eine Partnerschaft mit dem heimischen Betreiber AutoGo in der Mache.

Die chinesischen Anbieter strecken ihre Fühler auch in weitere asiatische Länder wie Singapur und Malaysia aus sowie in Metropolen wie Tokio und Seoul. In Europa winken ebenfalls Aufträge. Hier bauen die chinesischen Gesellschaften Kooperationen mit Uber auf. Damit würden sie in Konkurrenz zu Waymo treten, die ebenfalls Netzwerke in europäischen Städten anpeilt. WeRide lanciert Robobusse für den Shuttle-Betrieb am Züricher Flughafen.

Kräftemessen mit US-Tech

Noch handelt es sich um ein entspanntes Wettbewerbsumfeld mit minimaler Abdeckung des Potenzials für autonom fahrende Personentransporte.  Expansionsräume bieten sich für alle Interessenten, die das nötige Kapital und entsprechenden langen Atem mit sich bringen. Analysten beschäftigen sich aber bereits mit der Frage, wer im künftigen Kräftemessen zwischen Unternehmen aus China und USA besser abschneiden könnte.

Vorteil China?

Die chinesischen Anbieter und Entwickler genießen Vorteile bei den Kostenstrukturen für Fahrzeugbeschaffung und technologischer Ausrüstung sowie für Komponenten wie Batterien, Lidar-Systemen für Hinderniserkennung und anderen Sensoren. Im Gegensatz dazu könnten US-Firmen vom Zugang zu modernen Chips und anderer Hardware profitieren. Typischerweise erhalten sie auch stärkere Unterstützung durch risikofreudige Kapitalgeber. China wiederum genießt einen Vorsprung bei der Entwicklung und Anpassung von Algorithmen, die im herausfordernden heimischen Verkehr herangezüchtet werden. Dies kann der Erschließung von ausländischen Märkten sehr hilfreich sein.

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