Countdown für die Pool-Pommes
Über viele Wochen hinweg war der morgendliche Blick auf die Inzidenz-Zahlen ein masochistisches Ritual. Trotz aller Abstandsregeln und Vorsichtsmaßnahmen kletterten die Werte im Februar, März und April Richtung Norden. Seit Anfang Mai sinkt die Inzidenz nun endlich – und die Stimmung steigt. Lethargie und Selbstmitleid weichen zusehends der Vorfreude auf die ersten Öffnungsschritte – und eifriger Betriebsamkeit. Eilig werden schon einmal Tische reserviert, um mit von der Partie zu sein, wenn demnächst Apfelweingärten wieder aufmachen. Und vorsorglich wird auch schon mal ein Handtuch in die Tasche gepackt, um damit sofort den Liegestuhl am Pool reservieren zu können, sobald die Freibäder wieder öffnen.
Sehnsuchtsvoll fiebern viele dem ersten Bauchplatscher und dem ersten kleinen Sonnenbrand der Saison entgegen. Der Countdown für die Pool-Pommes ist gestartet, denn allzu lange hin ist’s nicht mehr. Im Hochtaunus haben Schwimmbäder angekündigt, Anfang Juni Gäste einzulassen. Auch in Frankfurt besteht die Hoffnung, dass Hausen, Eschi oder Stadionbad im Juni öffnen. Entsprechend gut besucht sind die Internet-Seiten, auf denen in den nächsten Tagen die Ticketbuchung freigeschaltet werden soll. Dass Sprungtürme und Wasserrutschen zunächst geschlossen bleiben, ist schade. Aber gut, in diesen Zeiten gibt man sich auch mit weniger zufrieden.
Eine Frage, die angesichts des näher rückenden „Zurück in die Zukunft“ hitzig diskutiert wird, ist: Was wird künftig anders sein als früher? So kündigte ein Kollege jüngst an, er werde auch lange nach Bewältigung der Pandemie niemandem mehr die Hand geben. Er habe sich an den Ellbogen-Check gewöhnt und sehe keinen Anlass, zum Handschlag rückzukehren.
Wie wird sich das Verhalten am Arbeitsplatz ändern? Nach der monatelangen Praxis, sich über Teams, Zoom & Co. zu verständigen, wirkt es ungewohnt, beim Büronachbarn an die Tür zu klopfen. Lehrerinnen berichten, dass sie derzeit auf verlorenem Posten stehen, wenn sie die Rückkehrer in den Präsenzunterricht auffordern, ihr Mobiltelefon auszuschalten – nachdem sie monatelang alles getan haben, um Schüler zu motivieren, das Handy anzuschalten. Das Einzige, was die Rück-Umstellung von Online in die Offline-Welt erleichtert, ist ironischerweise, dass das WLAN und Schulen vielerorts schlechter funktioniert als zu Hause. Schon kurios, dass es letztlich diese technischen Unzulänglichkeiten sind, die die Rückkehr in die Präsenz erleichtern.
Spannend wird natürlich auch die Frage, wie sich das Leben in der Freizeit verändern wird. Manch einer wird sich – nach Monaten unter strengen Hygieneregeln – künftig bereits schwertun, wieder ein Käsefondue mit Menschen aus anderen Haushalten zu genießen. Wenig Zweifel gibt es allerdings, dass auf Mallorca auch in Zukunft wieder Sangria kollektiv aus Eimern getrunken wird. Das ist zwar eine ziemlich unappetitliche Sache. Aber das war es ja auch schon lange vor Corona – und trotzdem hat das viele nicht geschert, den Strohhalm reinzuhalten.