LeitartikelWährungen

Das Potenzial des Euro ist überschaubar

Das Aufwärtspotenzial des Euro ist begrenzt. Deutliche weitere Avancen über die Marke von 1,10 Dollar würden neue positive Impulse erfordern.

Das Potenzial des Euro ist überschaubar

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Das Potenzial des Euro ist überschaubar

Von Christopher Kalbhenn

Deutliche weitere Avancen des Euro über die Marke von 1,10 Dollar würden neue positive Impulse erfordern.

Das sich mit unschöner Regelmäßigkeit in den Vereinigten Staaten wiederholende Tauziehen um die Schuldenobergrenze, das derzeit die Finanzmärkte in Atem hält, ist nicht gerade dazu angetan, das Vertrauen in die amerikanischen Staatsfinanzen und damit auch in den Dollar zu stärken. Dennoch tut sich der Euro derzeit schwer, seine gegen Ende September 2022 gestartete Aufwärtsbewegung fortzusetzen. Das Gegenteil ist sogar eingetreten. Seit den zu Beginn des Monats erreichten Höhen von rund 1,11 Dollar hat die Währung Boden preisgeben müssen und liegt nun bei rund 1,07 Dollar.

Dabei haben sich die fundamentalen Gegebenheiten für den Euro deutlich aufgehellt. So haben sich die geldpolitischen Dynamiken zugunsten der Gemeinschaftswährung verändert. Die amerikanische Notenbank Fed hat nun wohl eine Zinserhöhungspause eingelegt, während die Europäische Zentralbank ihre Leitsätze noch ein Stück weiter nach oben schrauben wird, um die hohe Inflation einzudämmen. Damit wird der Zinsvorteil der US-Währung gegenüber dem Euro in den kommenden Monaten schrumpfen. Darüber hinaus sind die Befürchtungen, dass der Euroraum durch eine Energieversorgungskrise als Folge des Krieges in der Ukraine in eine schwere Rezession stürzen könnte, verflogen. Ein kritischer Engpass mit Gasrationierung ist ausgeblieben, die Preise für Öl und mehr noch für Erdgas sind deutlich zurückgekommen. Die Konjunktur ist zwar eher lethargisch als überschäumend, aber der schwere wirtschaftliche Einbruch ist ausgeblieben.

Mit dem deutlichen Rückgang der Energiepreise ist der Euro noch in einer weiteren Hinsicht von einer sehr großen Last befreit worden. 2022 mussten die auf Energieeinfuhren angewiesenen Länder des Euroraums aufgrund der hochgeschossenen Energiepreise gigantische Summen ins Euro-Ausland überweisen, so dass die einstigen externen Überschüsse der Region von einem großen Defizit abgelöst wurden. Anders ausgedrückt haben sich die Terms of Trade des Euro im zurückliegenden Jahr dramatisch verschlechtert, eine Entwicklung, die nun wieder zurückgedreht wird. Im März hat die Handelsbilanz des Euroraums erstmals seit dem September 2021 wieder einen Überschuss aufgewiesen.

Ein Hemmnis für den Euro ist, dass von diesen positiven Entwicklungen nun kein weiterer Auftrieb ausgehen kann. Sowohl die sich zugunsten der Währung verändernden Zinsdifferenzen als auch die ökonomische Stabilisierung und die Reduzierung des Handelsbilanzdefizits sind vom Markt bereits verarbeitet worden. Durch die Erholung des Euro seit den im zurückliegenden September erreichten Tiefen um 96 US-Cent ist die fundamentale Aufhellung in den Kursen enthalten. Deutliche weitere Avancen des Euro über die Marke von 1,10 Dollar würden neue positive Impulse erfordern. Etwas Spielraum nach oben ergibt sich durch die kommende Reduzierung des Zinsvorsprungs des Dollar. Allerdings ist nach derzeitigem Stand fraglich, dass, wie in den Fed Fund Futures impliziert, in den Vereinigten Staaten nicht nur der Hochpunkt des Leitzinses erreicht ist, sondern die amerikanische Notenbank außerdem noch in diesem Jahr beginnen könnte, ihren Leitsatz deutlich zu senken. Letzteres würde überdies eine empfindliche wirtschaftliche Abkühlung in den USA voraussetzen, die letztlich auch für den Euroraum negative Konsequenzen hätte.

Von einer Rezession in den USA – das führt zum nächsten Hemmnis – würde zudem erhebliche Verunsicherung an den Finanzmärkten ausgehen. In Phasen der Verunsicherung suchen Marktteilnehmer üblicherweise Sicherheit im Dollar, und zwar auch dann, wenn sie wie beispielsweise nach dem Lehman-Kollaps im Jahr 2008 und derzeit im Zusammenhang mit dem Schuldenstreit von den USA selbst ausgeht. Diese Funktion des Dollar wird dem Aufwärtspotenzial des Euro Grenzen setzen, gerade angesichts des Krieges in der Ukraine und weiterer geopolitischer Konflikte sowie auch der nach wie vor bestehenden Unsicherheit um die US-Regionalbankenszene. Ein starker Impuls für eine deutlichere Aufwertung der Gemeinschaftswährung wäre ein Ende des Krieges in der Ukraine. Leider kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es in absehbarer Zeit dazu kommen wird.

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