Im BlickfeldIndustriepolitik im Weltall

Das Rennen um die Schätze des Weltraums

USA und China ringen um die Vorherrschaft im All, Europa hinkt hinterher. Im Kosmos gibt es nicht nur wichtige Anwendungsfälle für Forschung und Militär, sondern auch für die Industrie.

Das Rennen um die Schätze des Weltraums

Das Rennen um die Schätze des Weltraums

USA und China ringen um die Vorherrschaft im All, Europa hinkt hinterher. Im Kosmos gibt es nicht nur wichtige Anwendungsfälle für das Militär, sondern auch für die Industrie.

Von Martin Pirkl, Frankfurt

Bei dieser durch die Medien kursierenden Schlagzeile werden einige Leser gedacht haben, typisch Donald Trump, schon wieder eine neue größenwahnsinnige Idee des US-Präsidenten: „USA planen Atomkraftwerk auf dem Mond bis 2030“. Dabei ist diese Idee weder neu noch größenwahnsinnig. Solche Ideen gibt es schon seit Jahrzehnten und konkret daran gearbeitet wird auch schon länger. Bereits unter US-Präsident Joe Biden schrieb die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Forschungsaufträge für das Design der AKW aus.

Die Zeit drängt für die USA. Denn China plant zusammen mit eventuell Russland ebenfalls den Bau eines Atomkraftwerks auf dem Mond. Wer das Rennen macht, wird einen großen Vorteil bei der weiteren Erforschung des Weltalls haben. Noch sind einige technische Details offen, doch schon jetzt ist klar, dass AKW auf dem Mond technisch realistisch sind, deutlich kleiner ausfallen und anders funktionieren als auf der Erde und weniger Leistung haben. Dennoch sind sie wichtig für die Energieversorgung auf dem Mond – und sie könnten dazu führen, dass Nationen de facto territoriale Ansprüche auf Teile des Mondes erheben.

Enges Wettrennen

Das würde wiederum weitreichende Folgen haben. Denn auf dem Nord- und Südpol des Mondes scheint es Wassereis zu geben. „Wer es schafft, das Wassereis auf dem Mond in hochenergetischen Treibstoff umzuwandeln, dem öffnet sich das Tor zum Sonnensystem“, sagt Stefan Linke, Leiter einer Arbeitsgruppe an der TU Berlin zur Nutzung von Ressourcen im Weltraum. Raketen müssten dann nicht mehr von der Erde zu anderen Planeten wie dem Mars aufbrechen, sondern könnten zum Mond fliegen und dort auftanken. Dadurch könnten die Raketen kleiner und damit billiger ausfallen.

Linke beobachtet ein enges Wettrennen zwischen China und den USA um die Vorherrschaft im Weltall. „Es ist offen, ob der nächste Mensch auf dem Mond ein US-Amerikaner oder ein Chinese ist“, sagt er. In den kommenden Jahren werde die Menschheit die Antwort wissen. In einem Punkt sieht der Wissenschaftler einen Vorsprung für das Regime in Peking. „Die Chinesen haben einen politischen Vorteil, weil sie nicht wie der Westen alle vier Jahre nach einer Wahl die Weltraumprogramme auf den Prüfstand stellen, sondern langfristig planen.“

Metalle auf dem Mond

Das Weltall ist dabei nicht nur aus wissenschaftlicher und militärischer Sicht interessant. Auch für die Industrie gibt es hier große Chancen. So kommt etwa eine Anfang September veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, dass es auf dem Mond große Mengen an Metallen wie Platin, Palladium und Rhodium geben könnte. Rohstoffe auf dem Mond abzubauen, wäre um einiges leichter als auf Asteroiden, wo es ebenfalls eine Reihe an für die Industrie wichtigen Ressourcen gibt. Fernere Zukunftsmusik ist wohl noch das Thema Helium-3. Das Isotop kommt im Mondstaub vor und könnte auf der Erde als Brennstoff für Kernfusionsreaktoren zum Einsatz kommen. Der Abbau und Transport steckt technologisch jedoch noch in den Kinderschuhen.

Vorreiter in Europa beim Thema Weltraumressourcen ist ausgerechnet das kleine Herzogtum Luxemburg. Bereits 2016 rief der damalige Wirtschaftsminister eine Initiative zur Erforschung und Nutzung von Weltraumressourcen aus. Ein Jahr später erließ Luxemburg ein Gesetz, das es Bürgern und Unternehmen des Landes erlaubt, Eigentumsrechte an Ressourcen im All zu erwerben. Ein ähnliches Gesetz haben auch die USA verabschiedet.

Rechtliche Unsicherheit

Stephan Hobe, Professor an der Universität Köln und Direktor des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht, hält diese nationalen Alleingänge für völkerrechtswidrig und fordert eine staatenübergreifende Regelung. Bislang gibt es den internationalen Weltraumvertrag und das internationale Mondabkommen. Ersteres stammt jedoch aus dem Jahr 1967, zweiteres aus 1979. Zudem regeln beide nicht konkret den Abbau von Ressourcen. Die internationale rechtliche Unsicherheit behindert nach Angaben der Luxembourg Space Agency die Vorhaben, künftig Rohstoffe im Weltall abzubauen.

Doch nicht nur wegen der Rohstoffe ist der Weltraum bedeutend für Unternehmen und Volkswirtschaften. Die Kommerzialisierung des Alls ist laut BDI „eine riesige Chance und gewinnt für das Industrieland Deutschland zunehmend an Bedeutung“. Sie sei „der Schlüssel für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Industrie 4.0 oder schnelles weltumspannendes Internet“, sagt Matthias Wachter, BDI-Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit, Sicherheit, Rohstoffe und Raumfahrt.

Der BDI fordert die Bundesregierung deshalb zu einem deutlich stärkeren Engagement im Weltraum auf. Deutschland solle bei der Ministerratskonferenz der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Bremen im November seinen Beitrag von 3,5 Mrd. Euro auf 6 Mrd. Euro aufstocken. Raumfahrt- und Forschungsministerin Dorothee Bär wollte sich auf dem BDI-Weltraumkongress nicht auf eine Zahl festlegen, sagte aber zu, dass Deutschland „den größten Anteil“ unter den europäischen Ländern beisteuern werde.

Hohe Produktivität

Die ESA betont ihre Bedeutung nicht nur für die Forschung und die Verteidigung, sondern auch für die Wirtschaft. Die Investitionen von 16,9 Mrd. Euro, die 2022 auf der bislang letzten Ministerratskonferenz beschlossen wurden, hätten über Industrieaufträge und Einnahmen für die Raumfahrtindustrie das BIP in Europa um rund 22 Mrd. Euro erhöht. „Die Investitionen sichern zudem Arbeitsplätze in Sektoren, die eine deutlich überdurchschnittliche Produktivität aufweisen“, sagt Christine Klein, Hauptabteilungsleiterin Industriepolitik der ESA.

„Von Investitionen in Technologie für die Raumfahrt profitieren in Deutschland auch stark der Mittelstand und Startups“, sagt Klein. Darüber hinaus ist das Weltall auch besonders interessant für die Pharmaforschung. Aufgrund der Schwerelosigkeit sind dort andere Experimente möglich als auf der Erde. So kann im All etwa die Struktur von Enzymen besser erforscht werden. „Die Schwerelosigkeit ist vor allem bei der Erforschung und Weiterentwicklung von homogenen Werkstoffen interessant“, sagt Stefan Linke von der TU Berlin.

Wie wirtschaftlich bedeutend das Weltall inzwischen für die Industrie ist, verdeutlicht auch eine neue europäische Satellitenallianz. Die Unternehmen Airbus, Thales und Leonardo verkündeten am Donnerstag eine Rahmenvereinbarung für ein Joint Venture. Die Börsen-Zeitung hatte bereits vorab exklusiv von dem Vorhaben berichtet. Das geplante Gemeinschaftsunternehmen soll Mitte 2027 an den Start gehen und auf einen Jahresumsatz von 6,5 Mrd. Euro kommen.

Rückstand für Deutschland

Satelliten sind nicht nur für zivile Zwecke wie Telekommunikation elementar, sondern auch für die Verteidigung. Das Weltall wird immer bedeutender für das Militär. Nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Bundesregierung deshalb verstärkt in Sicherheitsarchitektur im All investieren. Bis 2030 sollen dafür 35 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Russland und China haben ihre Fähigkeiten zur Kriegsführung im Weltraum nach Einschätzung von Pistorius in den vergangenen Jahren „rasant ausgebaut“, warnt er.

Laut der Ende September veröffentlichten Studie „Aufholjagd im All“ der Unternehmensberatung Roland Berger ist der Rückstand Deutschlands im Weltraum insgesamt mittlerweile sehr groß. Deutschland betreibe derzeit beispielsweise nur etwas mehr als 80 eigene Satelliten, die Vereinigten Staaten dagegen über 10.000 und China mehr als 900. Dadurch entstünden problematische Abhängigkeiten, etwa bei der Satellitenkommunikation oder bei den Raketenstarts. Dabei seien Satelliten heute für die Volkswirtschaften, für Logistik, Mobilität und die Verteidigungsfähigkeit entscheidend.