LeitartikelDax-Schwergewicht SAP

Das trojanische Pferd der USA

SAP hat zwar seinen Firmensitz in Walldorf, immer wieder orientiert sich das deutsche Dax-Schwergewicht allerdings an den USA. Das hat auch was mit Abhängigkeit zu tun.

Das trojanische Pferd der USA

SAP

Trojanisches Pferd der USA

knd Frankfurt

SAP-Chef Christian Klein hat in den vergangenen Monaten mehrmals deutlich gemacht, auf welcher Seite des Atlantiks er steht. Und das ist seinen Aussagen und seinem Handeln zufolge nicht mehr die Seite von Europa. Die deutsche Software-Ikone ist mittlerweile vielmehr ein trojanisches Pferd amerikanischer Interessen als ein Garant europäischer Souveränität.

Erst kürzlich machte Klein seinem Unmut Luft: Die Diskussion um die souveräne Cloud führe in die falsche Richtung. Der SAP-CEO fordert eine einheitliche Definition von Souveränität – das wäre in der Tat eine Erleichterung für die Diskussion – allerdings könnte seine Definition vielen zu kurz greifen, vor allem Deutschen und Europäern. Klein lässt nämlich durchklingen, dass die Debatte um die Souveränität der Cloud aus seiner Sicht nichts mit den großen US-Anbietern, den Hyperscalern, zu tun hat. Er redet sich regelrecht in Rage bei diesem Thema. Mit den Hyperscalern zu konkurrieren sei „völlig verrückt“.

Abgesehen davon, dass diesem Einwand inhaltlich viele beipflichten dürften, bleibt dennoch der Eindruck, dass er sich als Chef von Europas größtem Technologiekonzern vor die amerikanischen Partner Microsoft, Google und Amazon stellt. Nur weil die Abhängigkeit bereits gegeben ist, kann es nicht zwingend sein, das ohne Wenn und Aber so hinzunehmen. Gleichwohl macht Klein sich gewissermaßen zum Sprachrohr der großen Tech-Konzerne aus Übersee. Dort heißt es schon mal lapidar, man soll seine Daten einfach verschlüsseln. Selbst wenn die USA dann Zugriff hätten, dann nur auf verschlüsselte Daten. Der SAP-Chef bläst in das gleiche Horn und hat bei der Thematik vor allem die US-amerikanische Brille auf.

Gerne argumentiert Klein damit, dass die Kunden diese Art der Souveränität gar nicht so sehr nachfragen. Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom von Juni spiegelt allerdings die Sorge der deutschen Wirtschaft wider – und den Wunsch nach deutschen Cloud-Anbietern. Jedes zweite Unternehmen, das Cloud-Computing nutzt, will demnach aufgrund der Politik der neuen US-Regierung seine eigene Cloud-Strategie überdenken.

Aber nicht nur beim Thema Cloud positioniert sich SAP zumindest nach außen hin eher auf der anderen Seite des Atlantiks. Auch beim Thema Diversität hat sich die starke Bindung zu den USA bemerkbar gemacht. Als Reaktion auf Trumps Politik ist auch SAP bei seinen Diversitätszielen zurückgerudert. Der Konzern kommuniziert zwar weiterhin, an seiner Einstellung zu dem Thema festhalten zu wollen, dennoch sind Einfluss und die Abhängigkeit zu mächtig, um derlei Ideen des US-Präsidenten die Stirn zu bieten.

Wichtig zu wissen ist natürlich, dass die Walldorfer einen großen Teil ihres Umsatzes in den USA machen. Dort ist die öffentliche Hand SAP-Großkunde, der Softwarekonzern muss sich an gesetzliche Standards halten. Kleins Worte Richtung USA sind milde und eher versöhnlich. Anfang Mai lobte er die Gespräche mit Trump und sprach von einem konstruktiven Austausch. Der Manager denkt dabei nicht zuletzt an die Investorenbasis, denn große Anleger bei dem Softwarekonzern haben amerikanische Wurzeln und SAP will diese Basis erklärtermaßen ausbauen.

Gerade beim Thema Cloud wirken Kleins jüngste Äußerungen wie eine 180-Grad-Wende. Noch Anfang des Jahres propagierte sein Vorstandskollege Thomas Saueressig in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel Autarkie: „Europa muss eine digitale Festung errichten“. Darin spricht Saueressig von „strategischen Abhängigkeiten“ und dass „ohne digitale Souveränität" auch „unsere Verteidigungsfähigkeit“ gefährdet sei. Klein hisst dagegen eher die weiße Fahne und verharmlost diese Abhängigkeit. Vielleicht ist es einfach das Dilemma zwischen Wunsch und Realität. Vielleicht ist es aber auch wie bei der Diversitätsdebatte – und weitergedacht wäre es für SAP wirtschaftlich vorteilhafter keine allzu große Unabhängigkeit von den USA anzustreben.

SAP weckt vermehrt den Eindruck, häufiger die Interessen der USA als die von Europa im Blick zu haben

Von Nadine Klees