Delle oder Trendwende? Kerngeschäft unter Druck
Das geht unter die Haut. Siemens kämpft im hochprofitablen Kerngeschäft mit starkem Gegenwind. Die Automatisierungsgeschäfte von Digital Industries verlieren im zweiten Quartal sehr viel Tempo. Insbesondere der Umsatzeinbruch rund um die Automatisierung wirkt dramatisch. Es fehlen kurzzyklische Aufträge. Sie werden quasi direkt mit der Bestellung ausgeliefert und in Rechnung gestellt.
Lagerabbau dauert länger
Nun trifft diese Abschwächung den Kapitalmarkt keineswegs unvorbereitet. Finanzvorstand Ralf Thomas hatte Ende März kundgetan, dass Siemens ein kräftiger Wind ins Gesicht blase. Jedoch war damals nicht klar, wie stark das Produktgeschäft weiterhin schwächeln würde.
Es ist Vorsicht angebracht. Die Siemens-Welt geht nicht unter, schließlich muss die Prognose für den gesamten Konzern nicht gesenkt werden, weil andere Sparten erfolgreicher wirtschaften. Die Frage lautet aber trotzdem: Handelt es sich nur um eine Delle von Digital Industries, oder hat Siemens es mit einer Trendwende zu tun? Thomas betont, die Entwicklung sei vorübergehend. Er lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass die Schwächephase in China bis Ende 2024 dauert. Dies ist eine verdammt lange Zeit, und noch weiß niemand wirklich, wie es 2025 weitergeht.
Black Box China
Hier liegt das Kernproblem: Die wirtschaftliche Entwicklung in China ist eine Black Box. Ob die Regierung zur Praxis der ökonomischen Anreizprogramme zurückkehrt, ist fraglich. Zudem heizen die steigenden US-Zölle für importierte Elektroautos aus China den Handelskrieg an. Ebenfalls bemerkenswert: Wettbewerber machen Siemens das Einstiegssegment der Fabrikautomatisierung erfolgreich streitig.
Grundsätzlich spielt die klimagerechte Transformation der Fertigung Siemens in die Karten. Doch die aktuelle Nachfrageschwäche kümmert sich nicht um Megatrends. Kurzfristig muss Digital Industries daher die Produktivität erhöhen, um die Marge abzusichern. Mittelfristig gilt aber: Möglicherweise waren die extrem hohen Renditen, die die Sparte erreicht hat, weil Kunden aus Angst vor Lieferengpässen die Siemens-Produkte hamsterten, eine historische Ausnahme.