LeitartikelGlasfaser

Dem Goldrausch folgt der Kater

Glasfaser hat als Assetklasse an Charme verloren. Vor allem klassische Staatsanleihen locken mit einem deutlich attraktiveren Risiko-Rendite-Profil.

Dem Goldrausch folgt der Kater

GLASFASER

Dem Goldrausch folgt der Kater

Glasfaser hat als Assetklasse an Charme verloren. Vor allem klassische Staatsanleihen locken mit einem deutlich attraktiveren Risiko-Rendite-Profil.

Von Heidi Rohde

Telekom-Chef Tim Höttges betrachtet die Krise unter den zahlreichen deutschen Glasfaseranbietern mit einem milden Lächeln – und nicht ohne Genugtuung. Schließlich musste sich der Bonner Konzern über Jahre mangelnden Eifer beim Ausbau dieser zukunftsfesten Telekom-Infrastruktur vorwerfen lassen. Tatsächlich hat sich die Telekom wegen ihres Mega-Deals in den USA, der bei allen Vorteilen mit einem investiven Kraftakt und einem erheblichen Anstieg der Nettoverschuldung verbunden war, schwergetan, den Glasfaserausbau nur aus eigener Kraft voranzutreiben. Sie nahm allerdings mithilfe von Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen Tempo auf, als die Gefahr von Marktanteilsverlusten durch viele lokale und einige überregionale Glasfaseranbieter zu groß wurde.

Kampf um Marktanteile

Mittlerweile hat die Telekom das Heft des Handelns zurückgewonnen. Sie kommt mit dem Abbau der Nettoverschuldung im Konzern planmäßig voran und verfügt als Investment-Grade-Unternehmen am Kapitalmarkt auch nach der Zinswende über bestmögliche Finanzierungskonditionen. Dies gibt unter anderem auch dem Joint Venture Glasfaser Plus, das die Telekom zusammen mit dem IFM Global Infrastructure Fonds aufgezogen hat, den nötigen Rückhalt. Darüber hinaus zieht die Telekom Deutschland selbst verstärkt in den Kampf um Marktanteile, indem sie Infrastruktur von Wettbewerbern überbaut oder diesen Überbau einfach nur ankündigt. Letzteres genügt bereits, um die Rendite-Kalkulation eines alternativen Anbieters zusammenfallen zu lassen.

Großer Schuldenhebel

Allerdings bricht deren Kalkulation nicht nur wegen des Drucks der Telekom neuerdings gehäuft zusammen. Vielmehr werden viele Glasfaserunternehmen von der Zinswende kalt erwischt. Die gemessen an seiner Wirtschaftsstärke unrühmliche Position Deutschlands im Ranking der OECD zum Stand dieser digitalen Infrastruktur hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Goldgräber angelockt. Große Private-Equity-Adressen wie Allianz Capital oder 3i folgten dem Pionier KKR und EQT im Engagement auf dem deutschen Markt, durch Beteiligung an regionalen Anbietern oder mit der Gründung eigener Vehikel wie „Unsere Grüne Glasfaser“, wobei die Finanzinvestoren diese wertbeständige sogenannte passive Infrastruktur als ideales Asset für einen großen Schuldenhebel betrachteten. Dies zumal zu Zeiten einer Nullzinspolitik der Notenbanken, während der sogar Non-Investment-Grade-Schuldner zu vergleichsweise niedrigen Zinsen Kapital aufnehmen konnten. Die geübte Praxis von Private Equity fand branchenweit Nachahmung, jedoch geriet die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle vielfach ins Wanken, nachdem sich einerseits die Finanzierung verteuert hat und überdies ein Kostenschub durch Inflation, namentlich stark gestiegene Baukosten, am Cashflow zehrt. Aktuell ringt die Tele-Columbus-Gruppe, deren Kapitalstruktur mit einem bereinigten Verschuldungsgrad des 8-fachen operativen Ergebnisses nicht mehr haltbar ist, ums Überleben.

Kehrseite erkennbar

Darüber hinaus haben die stark gestiegenen Kapitalmarktzinsen für Infrastruktur-Investments eine Kehrseite. Denn institutionelle Anleger, bei denen spezialisierte Fonds in der vergangenen Dekade mit wachsendem Erfolg Mittel für die neue Assetklasse Glasfaser eingeworben hatten, weil diese vergleichsweise solide Renditen versprach, haben nun wieder Alternativen. Vor allem klassische Staatsanleihen locken mit einem deutlich attraktiveren Risiko-Rendite-Profil.

Denn bei Glasfaser dominieren gerade zunehmend die Risiken, und das nicht nur durch den Überbaustreit mit der Telekom. Die Inflation geht auch an den Kunden nicht vorbei. Diese wägen angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten das Abonnement von Glasfaseranschlüssen kritisch ab. Die Vermarktung der Anschlüsse gelingt nur zu Preisen, die die Baukosten nicht refinanzieren. Außerdem zeigt sich eine wachsende Lücke zwischen der Erschließung der Haushalte mit Glasfaser und der tatsächlichen Buchung dieser Anschlüsse. Branchenverbände trommeln für „verbesserte Rahmenbedingungen“ und fordert den Abbau bürokratischer Ausbaubremsen. Sie werden allerdings gegen die veränderte Kapitalmarktdynamik kaum ankommen.