LeitartikelUS-Börsengänge

Der anfahrende IPO-Markt hat den falschen Gang eingelegt

In den USA kommt es wieder zu erfolgreichen Börsendebüts, die Zahl der Listing-Ankündigungen steigt. Freie Fahrt am IPO-Markt besteht damit aber noch lange nicht.

Der anfahrende IPO-Markt hat den falschen Gang eingelegt

IPO-Markt

Im falschen Gang

Von Alex Wehnert

Trotz erfolgreicher Debüts und vermehrter Listing- Ankündigungen besteht am US-IPO-Markt noch lange keine freie Fahrt.

Das US-Geschäft mit Börsengängen nimmt nach Monaten des Stillstands wieder Tempo auf – die Marktteilnehmer haben allerdings den falschen Gang eingelegt. Denn Aussicht auf eine anhaltend freie Fahrt besteht trotz der erfolgreichen Debüts und vermehrten Listing-Ankündigungen aus den vergangenen Wochen und Monaten mitnichten. Die Liquiditätssituation an den Finanzmärkten macht schließlich keine Anstalten, sich zu entspannen. Im Gegenteil: Die Federal Reserve zeigt sich offen für neuerliche Zinserhöhungen, die Mehrheit der Trader an der weltgrößten Terminbörse CME positioniert sich schon für weitere restriktive Schritte der Notenbank bis Jahresende.

Die Liquiditätsknappheit lässt vielversprechende Kandidaten für Initial Public Offerings (IPOs) auch zu deutlich reduzierten Bewertungen neue private Finanzierungsrunden ansteuern – womit sich ihre Börsendebüts verzögern dürften. So kündigte der Online-Bezahldienst Stripe im Januar an, eine Entscheidung über den Gang aufs Parkett noch im laufenden Jahr treffen zu wollen. Im März sammelte das Unternehmen dann 6,5 Mrd. Dollar ein, kam dabei aber lediglich auf eine Bewertung von 50 Mrd. Dollar. Noch 2021 war Stripe auf dem Papier 95 Mrd. Dollar wert. Seit der Funding-Runde gibt es vom Bezahldienst kein Update zu einem möglichen Börsengang. Hinzu kommen die enttäuschenden Quartalszahlen des niederländischen Rivalen Adyen, die auf dem Anlegerenthusiasmus für Zahlungsdienstleister lasten und Stripe zusätzliche Gründe liefern dürften, sich vorerst keiner kritischen Einstufung am öffentlichen Markt zu stellen.

Natürlich hat sich die Pipeline gefüllt: Nach dem Chipdesigner Arm haben auch der Marketingdienstleister Klaviyo und der Lebensmittellieferdienst Instacart zuletzt Aktienplatzierungen angekündigt. Allerdings fällt das Jahr in Bezug auf Börsengänge bisher eben auch besonders schwach aus. Auch nach den Listings der Restaurantkette Cava und Kenvue, der Konsumgütertochter von Johnson & Johnson, summiert sich das IPO-Volumen in den Vereinigten Statten 2023 bisher auf lediglich 13,1 Mrd. Dollar. Selbst wenn alle kolportierten Deals an der Wall Street zur Realität werden, dürfte der Markt nur an den Durchschnittsvolumina aus den Vor-Corona-Jahren kratzen.

Unterdessen fällt die Resonanz bei einigen bereits abgeschlossenen Primärmarkt-Deals weniger positiv aus, als es den Anschein hat. Der vietnamesische Autobauer Vinfast, der im August mittels Fusion mit einer Mantelgesellschaft (Spac) an der Nasdaq debütierte, war zu Beginn der laufenden Woche deutlich mehr wert als Ford und General Motors zusammen. Doch die Entwicklung folgt keineswegs aus dem Enthusiasmus einer großen Zahl an Marktteilnehmern. Tatsächlich bevorzugten fast alle Investoren, die am Akquisitionsvehikel Black Spade beteiligt waren, nach dem Merger eine Cash-Auszahlung, statt Vinfast-Aktien zu übernehmen. Dem Spac, das bei seinem IPO vor zwei Jahren 169 Mill. Dollar aufgenommen hatte, blieben nach den Anteilsrückgaben lediglich 13,6 Mill. Dollar. Zudem sind nur 1% der Aktien von Vinfast frei handelbar. In der Folge führen schon wenige Gebote zu hohen Kursausschlägen. Dass nach solchen künstlichen Rallys umso härtere Rückschläge die Norm sind, drohen auch die Vinfast-Investoren noch leidvoll zu erfahren.

Auch zum für September angekündigten IPO des britischen Chipdesigners Arm an der Nasdaq ergeben sich interessante Parallelen. Vinfast-Anleger erhoffen sich einen fortgesetzten Boom der Elektromobilität, der Halbleiterentwickler will vom Hype um künstliche Intelligenz profitieren. Zudem plant der japanische Technologieinvestor Softbank wohl, nur 10% der britischen Gesellschaft an die Börse zu bringen. Damit befände sich die Free-Float-Marktkapitalisierung durchaus in einem Bereich, in dem leicht künstliche Überhitzungen entstehen können. Die Chipkonzerne Nvidia und Intel, die Softbank als Ankeraktionäre an Bord holen wollen, stellen sich zudem offenbar eine deutlich niedrigere Bewertung vor als der japanische Technologieinvestor. Landet Softbank mit dem Arm-Börsengang in New York die nächste Schlappe, dürfte der Motor des gerade erst angefahrenen US-IPO-Markts schnell wieder ins Stottern geraten.

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