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Der Anti-Midas aus Japan

Die wenig überzeugende IPO-Bilanz von Softbank-Chef Masayoshi Son mahnt beim Börsengang seiner britischen Chipdesigner-Tochter Arm zur Vorsicht.

Der Anti-Midas aus Japan

Der Anti-Midas aus Japan

Die wenig überzeugende IPO-Bilanz von Softbank-Chef Masayoshi Son mahnt beim Börsengang seiner britischen Chipdesigner-Tochter Arm zur Vorsicht

Nach Reuters-Informationen vom Freitag sind die 95,5 Millionen American Depository Shares beim New Yorker IPO des Chipdesigners Arm aus dem britischen Cambridge sechsmal überzeichnet. Doch die Investoren sollten gut aufpassen. Der Verkäufer, die japanische Softbank Group von Masayoshi Son, heizt Bewertung und Nachfrage geschickt an. Dabei fällt die IPO-Bilanz ihrer Beteiligungen sehr mager aus.

Der durchschnittliche Kursverlust der 25 von Softbank mitfinanzierten Unternehmen beträgt 46% von der Erstnotierung bis heute. Nach einer FT-Kalkulation sammelten diese Unternehmen bei ihren IPOs insgesamt 75,4 Mrd. Dollar ein, aber die ausgegebenen Aktien sind aktuell nur 68,7 Mrd. Dollar wert, ein Minus von 9%. Rechnet man die schwerste Beteiligung Alibaba heraus, dann kamen die übrigen 24 IPOs auf Einnahmen von 50,4 Mrd. Dollar ein, die um fast ein Drittel auf 33,9 Mrd. Dollar schrumpften. Nur vier Börsengänge von Softbank-Beteiligungen liegen im Plus, die übrigen 21 verloren bis zu 98%.

Dem Gründer, CEO und Chairman von Softbank eilte einst der Ruf voraus, er sei der König Midas für Tech-Aktien. Was er anfasste, verwandelte sich zu Gold. Sein Unternehmen Softbank, 1981 als Softwarevertrieb gegründet, investierte ab den 1990er Jahren in Hunderte von jungen Tech-Unternehmen. Am lukrativsten erwiesen sich die frühen Einstiege beim Webportal Yahoo 1995 und bei Alibaba 1999. Beim IPO von Yahoo konnte Son seinen Einsatz um den Faktor 50 vermehren, bei Alibaba schaffte er gar den Faktor 3.700.

Aber den Midas-Touch seiner frühen Jahre scheint „Mr. Internet“, so sein Spitzname aus der Dotcom-Zeit, verloren zu haben. Beim Büroflächenvermieter Wework zum Beispiel verbrannte Son bis heute geschätzt 10 Mrd. Dollar, weil er dem Gründer Adam Neumann auf den Leim ging. Bei der Übernahme des US-Mobilfunkers Sprint 2013 (21,6 Mrd. Dollar für 85% Anteil) kam der Japaner beim Ausstieg fünf Jahre später mit einem blauen Auge davon, obwohl sein Plan scheiterte, den Rivalen T-Mobile zu schlucken – es kam vielmehr umgekehrt.

Buffett schlägt Son

Softbank Group ist auch nicht die Berkshire Hathaway der Tech-Branche. Während Warren Buffett ab Anfang 2016 sukzessive in Apple investierte und damit der Berkshire-Aktie zu einer Kurssteigerung um fast das Dreifache verhalf, erzielte Son mit seinem 98,6 Mrd. Dollar schweren „Vision Fund 1“ seit der Gründung im Mai 2017 nur einen selbst errechneten „Nettogewinn“ von 3 Mrd. Dollar. Der Softbank-Aktie nutzte der Tech-Hype an der Börse wenig. Das Kursplus von 66% während der sechs Vision-Fund-Jahre beruhte vor allem auf rekordhohen Aktienrückkäufen.

In der Vergangenheit bewies Son zwar einen guten Riecher für technologische Paradigmenwechsel – er investierte in die Anfänge des Internets (Yahoo), in den Beginn des E-Commerce (Alibaba), ins mobile Internet (Übernahme von Vodafone Japan), in das Internet der Dinge (Arm) und zuletzt in den Siegeszug der künstlichen Intelligenz (Vision Funds). Nach dem Zukunftsbild des heute 66-Jährigen soll sich Softbank bis 2040 an 5.000 Unternehmen weltweit beteiligen, um von diesem Wandel zu profitieren.

Aber der britische Chipdesigner Arm erfüllte die Erwartungen von Son nicht. Die Zahl der Chips würde im Internet der Dinge exponentiell wachsen – und damit auch die Einnahmen von Arm, argumentierte der Japaner mit koreanischer Herkunft. Aber in den sieben Jahren von 2015 (vor dem Kauf) bis 2022 wuchs der Arm-Umsatz von 1,5 Mrd. Dollar nur um 93% auf 2,7 Mrd. Dollar. Nun vermarket Son das IPO im Kontext des KI-Hypes. Doch auf der eigenen Webseite verspricht Arm lediglich „Lösungen, die die schnelle Entwicklung von KI unterstützen“. Die Spezialität von Arm bleibt bis heute das Design von energieeffizienten Chips für mobile Geräte.

Vor allem beim erwarteten Gewinnwachstum, das etwa den Nvidia-Kurs antreibt, kann Arm mit dem KI-Marktführer nicht mithalten. Nach einer Analystenkalkulation rechtfertigt der hohe Rückstand nur eine Marktkapitalisierung von 35 Mrd. Dollar (inklusive 2 Mrd. Dollar Cash). Son strebt jedoch bei einem Ausgabepreis von 47 bis 51 Dollar einen Börsenwert von 48 bis 52 Mrd. Dollar an, auf verwässerter Basis 54,5 Mrd. Dollar. Damit wäre Arm rund 70% teuer als bei der Übernahme vor sieben Jahren. Der IPO-Erlös von bis zu 4,9 Mrd. Dollar fließt an Arm. Softbank könnte jedoch mit der höheren Bewertung die eigene Bilanz aufhübschen.

Lautes Verkaufsgetrommel

Jedenfalls scheint Son ein besserer Verkäufer als Investor zu sein, indem er die Bewertung von Arm durch den Vergleich mit Nvidia nach oben treibt. Denn Nvidia verkauft Chips, Arm jedoch Lizenzen für Chipdesigns. Auch sonst greift Son tief in die Trickkiste, um Arm möglichst teuer loszuschlagen. Erstens bietet Softbank nur 9,4% der Aktien feil – die Knappheit soll den Preis stützen. Zweitens kaufte Softbank den 25-%-Anteil an Arm vom eigenen Vision Fund zu einer überhöhten Bewertung von 64 Mrd. Dollar zurück. Der Abschlag von 19% auf den Angebotspreis soll die Aktien womöglich wie ein Schnäppchen aussehen lassen.

Drittens nahm Son 28 Banken in das Verkaufskonsortium auf, geführt von Barclays, Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase und Mizuho. Die Institute wollen bei diesem größten US-Börsengang seit zwei Jahren unbedingt dabei sein und sind daher an einem hohen bzw. steigenden Kurs interessiert. Bei dem Verkaufsgetrommel geht – viertens – unter, dass Son 10 Arm-Kunden, darunter Apple, Google, Nvidia, Samsung und TSMC, als Eckinvestoren ins Boot holte, die rund 15% der Erstemission erwerben wollen. Auf diese Weise können sie die Neutralität von Arm schützen, aber verhindern damit auch eine wertsteigernde Übernahme.

Und fünftens könnten Investoren leicht übersehen, dass Arm an einer Verwerfungslinie im Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China agiert. Ein Viertel der Umsätze stammt nämlich aus dem Reich der Mitte. Arm spricht im IPO-Prospekt selbst von einer „besonderen Anfälligkeit“ für politische und wirtschaftliche Risiken, inklusive Spannungen zwischen China und den USA oder Großbritannien. Da darf man sich über die angeblich 6-fache Überzeichnung schon ein bisschen wundern.

Von Martin Fritz, Tokio
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