Madrid

Der Ballermann ist jetzt in Madrid

Deutsche urlauben in Mallorca, Franzosen feiern in Madrid – und mittendrin wird über das Vorgehen der Polizei gegen die Corona-Parties diskutiert.

Der Ballermann ist jetzt in Madrid

In Deutschland sorgen die Bilder von urlaubenden Landsleuten auf Mallorca derzeit für erhebliche Aufregung und Empörung. Das ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was sich in Spaniens Hauptstadt abspielt. Denn auf der den Deutschen liebsten Insel kann man gegenwärtig zwar Sonne, Sand und die Landschaften genießen. Viel mehr geht aber nicht, denn die Lokale machen am Nachmittag zu und operieren sowieso unter sehr strengen Auflagen. Abfeiern am Ballermann ist nicht drin.

Madrid dagegen ist zur Party-Hauptstadt Europas geworden. Am vergangenen Wochenende machten Aufnahmen von feiernden jungen Menschen in der Altstadt die Runde, die ohne Mundschutz auf den Straßen sangen und grölten. Darunter gab es viele junge Touristen aus Frankreich. Seit Wochen prägen vor allem die Besucher aus dem Nachbarland das Bild der Innenstadt, etwa eine große Gruppe Gallier, die nahe der Puerta de Sol in offensichtlich angeheitertem Zustand die Marseillaise anstimmten. Doch da es im Heimatland derzeit an gewisser „liberté“ mangelt, reist man eben nach Madrid. Ein negativer PCR-Test genügt.

Die Region der spanischen Hauptstadt hat die lockerstmöglichen Coronabeschränkungen in ganz Spanien, wenn nicht gar Europa. Cafés, Bars und Restaurants dürfen bis zur nächtlichen Sperrstunde um 23 Uhr öffnen, wenn auch hauptsächlich im Außenbereich. Danach geht die Party oft weiter in einem Privatdomizil oder einem Club, der einfach mal eine heftige Strafe riskiert, sollte die Sache auffliegen. Und das geschieht oft. Am Wochenende schritt die Madrider Polizei bei 353 Privatfeiern ein. In den letzten elf Wochen waren es schon über 3700 Coronapartys, die aufgelöst wurden und deren Teilnehmer ein Bußgeld aufgebrummt bekamen.

Das Vorgehen der Polizei hat nun eine dieser absurd anmutenden Grundsatzdebatten während der Pandemie ausgelöst. Dürfen die Beamten die Tür eintreten, wenn ihnen die Partymeute den Zugang verweigert? Viele Juristen halten das für rechtswidrig, denn es wird ja kein Verbrechen vereitelt, sondern lediglich eine Ordnungs­widrigkeit.

Die Touristen, die zum Feiern aus dem Ausland anreisen, sind jetzt auch ein heißes politisches Thema. Schließlich finden am 4. Mai in der autonomen Gemeinschaft Madrid vorgezogene Regionalwahlen statt. Es steht viel auf dem Spiel in der Metropole mit ihren gut sechs Millionen Einwohnern. Die konservative Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso strebt eine absolute Mehrheit an. Dafür baut sie auf ihren lockeren Umgang mit der Pandemie, der dem Schutz der Wirtschaft dienen soll. In einem Spot ihrer Volkspartei (PP) lobten mehrere Gastronomen die Regierung dafür, dass sie im Gegensatz zu fast allen anderen Landesteilen auch abends ausschenken dürfen. „Madrid ist Freiheit“, lautet Ayusos platter Wahlslogan. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in ganz Spanien in den letzten Tagen wieder auf 80 angestiegen. In der Region Madrid liegt der Wert dagegen bei 145.

Ayuso weist die Warnungen und Bedenken von Opposition, Experten und Teilen der Medien zurück. Sie bezichtigt die Kritiker gar, der Hauptstadt einen Imageschaden zuzufügen und den Tourismus zu verprellen. Ihr größter Herausforderer, der Sozialist Ángel Gabilondo, wirft Ayuso dagegen vor, den „Sauftourismus“ zu befördern. Da widerspricht José Luis Martínez-Almeida, der Bürgermeister der Stadt und Parteifreund der Ministerpräsidentin. „Die kommen doch nicht, um sich zu betrinken,“ erklärte das Stadtoberhaupt in Bezug auf die Franzosen und andere Auslandsbesucher. „Sie kommen für einen Besuch im Theater, Kino, in der Oper und für den Genuss der Kultur.“

In der Tat hört man im Prado oder in anderen berühmten Museen der Stadt viele ausländische Stimmen. Doch es ist ebenfalls unbestreitbar, dass viele der Besucher es nach dem Kulturprogramm auf den vielen Terrassen der Innenstadt mal so richtig krachen lassen. Man kann ja auch beides haben, meint Ayuso. „Die Touristen kommen ja nicht nur, um sich zu besaufen“, stellte sie klar und unterstellte den Kritikern in der Opposition gleich einen „leicht fremdenfeindlichen Ton“. Was die heimische Bevölkerung von alledem hält, wird sich wohl spätestens am Wahlabend im Mai zeigen.