Der Altersvorsorge-Neobroker
Der Altersvorsorge-Neobroker
Trade Republic
Der Altersvorsorge-Neobroker
Von Björn Godenrath
Trade Republic hat eine Menge richtig gemacht und wird zurecht hoch bewertet. Der deutsche Erfinder des ETF-Sparens ist glänzend positioniert.
In Deutschland ist der Begriff Zeitenwende primär mit der Wiederaufrüstung verbunden. Das lässt sich nun auf das Feld der Altersvorsorge erweitern, die mit dem staatlich geförderten AV-Depot endlich einen Booster erhält. Gut 12 Millionen Aktionäre gab es per Ende 2024 in Deutschland, etwas weniger als auf dem Ende 2022 markiertem Peak von 12,9 Millionen. Die Entwicklung ist also leicht negativ – und das, obwohl die Neobroker weiter wachsen.
Zweiter Schub für die private Altersvorsorge
Die Zeitenwende in der privaten Altersvorsorge geht nach dem Schub durch den Neobroker-Boom also in eine zweite Phase. Der Fokus liegt nun auf dem langfristigen Wertpapiersparen. Dafür ist niemand besser gerüstet als Trade Republic, die das ETF-Sparen quasi erfunden hat und schon mehr als 10 Millionen Kunden zählt. Assets im Wert von 150 Mrd. Euro befinden sich auf der Plattform, die wahrscheinlich der größte Profiteur des AV-Depots sein wird – auch, wenn die ganze Wealth-Management-Industrie in den Startlöchern steht.
Frisches Geld wird gar nicht benötigt
Passend zur Verabschiedung des Gesetzes hat Trade Republic am Mittwoch informiert, dass sich ihre Bewertung in der jüngsten Finanzierungsrunde auf 12,5 Mrd. Euro mehr als verdoppelt hat im Vergleich zur letzten Runde, die schon drei Jahre zurückliegt. Frisches Geld braucht der Neobroker aber gar nicht. Schließlich ist er profitabel und kann seine Investitionen aus der Innenfinanzierung bestreiten.
Was von der Bewertung zu halten ist, lässt sich nicht so einfach beziffern. Es haben nicht bloß eine ganze Reihe renommierter neuer Adressen zugegriffen, sondern auch die Ankerinvestoren um den Founders Fund haben ihre Kapitalzusagen aufgestockt. Das ist eine gesunde Mischung - und es deutet nichts darauf hin, dass hier eine überzogene Bewertung durchgedrückt werden sollte.
Lässt sich Trade Republic mit Robinhood vergleichen?
Am ehesten als Vergleichswert herangezogen werden kann Robinhood als der große Bruder von Trade Republic. Die US-Plattform zählte per Ende September 26,8 Millionen befüllte Depots, die Assets auf der Plattform summieren sich auf 333 Mrd. Dollar. Trade Republic dürfte im kommenden Jahr die Marke von 12 Millionen Depots locker nehmen, selbst 15 Millionen erscheint angesichts der aktuellen Marktdynamik nicht utopisch - und die Assets under Management steuern im kommenden Jahr auf die Marke von 200 Mrd. Euro zu.
Blatt wurde nicht ausgereizt
Und so fällt der Bewertungsvergleich aus: Mit knapp 94 Mrd. Dollar ist die Börsenbewertung von Robinhood um ein Vielfaches höher als Trade Republic – trotz europaweiter Präsenz und vergleichbarem Wachstumspotenzial der Berliner. Das spricht dafür, dass die Gründer um Christian Hecker im Verbund mit dem die Transaktion arrangierenden Founders Fund Vernunft walten ließen bei der Bewertung und noch nicht mal das Blatt voll ausreizten.
Das ist mit Blick auf ein in einigen Jahren anstehendes Listing oder eine Folgefinanzierung vernünftig. Schließlich zeigt der Fall N26, dass überzogene Wertsteigerungsversprechen böse enden können. Sondervereinbarungen für Mindestverzinsungen können einen Druck aufbauen, an dem ein Startup zerschellen kann, wenn es zyklisch bedingt oder durch Missmanagement in ein Tief gerät.
Höherer Kuschelfaktor
Dabei haben die Trade-Republic-Gründer nicht die Absicht, die Private Markets so bald zu verlassen. Der Status als Neobroker mit geringen Berichtspflichten bringt strategische Vorteile mit sich. Schließlich verspricht eine Private-Markets-Existenz ein gewisses Maß an Steuerbarkeit und Flexibilität, die es einem Unternehmen in der Wachstumsphase erleichtert, neue Produkte aus dem stealth mode heraus an den Markt zu bringen oder Investments kurzfristig umzuleiten: Man ist niemandem außer dem engen Kreis der Investoren gegenüber rechenschaftspflichtig. Der Kuschelfaktor in den Private Markets ist also eindeutig höher als wenn man schon börsennotiert ist. Denn wer an der Börse notiert ist, steht ständig im Licht der Öffentlichkeit, muss Prognosen erfüllen und wird für Abweichungen direkt abgestraft.
Vom Neobroker zur Neobank
Vieles richtig gemacht haben die Berliner auch, indem sie trotz ihrer Vollbanklizenz nebst Girokonto das Depositengeschäft bewusst klein gehalten haben. Denn mit Aufbau der Aktiva wird es anspruchsvoller die Vorgaben zur Leverage Ratio einzuhalten. Das macht der im Einlagengeschäft starken N26 derzeit wohl zu schaffen. Dadurch kann nun möglicherweise die Notwendigkeit entstehen, entweder zusätzliche Eigenmittel vorzuhalten oder das Bilanzwachstum zu drosseln - das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es ist absurd, wenn ein Start-up neue Mittel aufnehmen muss, nur weil es regulatorisches Kapital braucht. Von daher steht zu erwarten, dass Trade Republic bis auf weiteres am bewährten Geschäftsmodell zum Depositenmanagement festhalten wird. Sonst hätten die Berliner ja auch jetzt frisches Kapital aufnehmen können.
